Der Kantor der Synagogengemeinde Saar, Benjamin Chait, hat neben Reaktionen auf Antisemitismus auch parallel stattfindende Prävention gefordert. "Diejenigen, die sich antisemitisch verhalten, haben wahrscheinlich oft keinen Juden getroffen", sagte er am 6. November beim Treffen des Arbeitskreises "Kirche und Judentum" der pfälzischen Landeskirche in Saarbrücken. Es sei beispielsweise wichtig, an Schulen Juden aus der Region einzuladen und nicht nur aus Israel. "Das Judentum ist nicht 2.000 Kilometer weg", betonte er. Die jüdischen Menschen seien Nachbarn.

Dem stimmte der Beauftragte des saarländischen Landtags für jüdisches Leben im Saarland und gegen Antisemitismus, Roland Rixecker, zu. "Mir ist wichtig, wenn es geht, einen Beitrag zur Wiederbelebung oder zur Stärkung des jüdischen Lebens auch im Saarland zu leisten", sagte er.

Rixecker ruft zum "aktiven Widerspruch" auf

Es gebe immer wieder Menschen, die fragten, warum man überhaupt noch über die Shoa spreche. "Erinnern ist eine ganz zentrale Aufgabe", betonte Rixecker. "Nicht, um irgendwie Vergangenheitsbewältigung zu betreiben, sondern um uns zukunftsfähig zu machen." Wenn die aktuellen Entwicklungen in Deutschland so weitergingen, dann ständen allen Menschen schwierige Zeiten bevor und nicht nur jüdischen, muslimischen oder homosexuellen.

Zudem warb der Saar-Antisemitismusbeauftragte für Intoleranz gegenüber Hetzern. "Wir müssen auch manche Debatten aushalten, um zu erreichen, dass sie nicht mehr stattfinden", sagte er. "Aushalten heißt nicht über sich ergehen lassen." Es gehe vielmehr darum, aktiv Meinungen zu widersprechen und diese nicht nur zu sanktionieren. Menschen müssten wieder zu dem zurückfinden, was sagbar sei. Dabei machte Rixecker deutlich: "Hass ist keine Meinung."

Wichtig sei auch, die Kenntnisse und Sensibilität unterschiedlicher Professionen über Antisemitismus und die Geschichte zu verbessern. Das gelte sowohl für Juristen als auch Mediziner, Journalisten oder Lehrer - aber auch für die Strafbehörden.

So habe beispielsweise der zerstörte Kranz an der Gedenkstätte des ehemaligen Gestapo-Lagers "Neue Bremm" als einfache Sachbeschädigung gegolten. "Dadurch ist mir bewusstgeworden, dass wir die Sensibilität auch der Sicherheitsbehörden wecken müssen dafür, dass solche Dinge etwas anderes sind, weil sie auch gerade von den Verletzten anders empfunden werden", betonte Rixecker.

Israelkritik mischt sich mit Judenfeindlichkeit

Der Historiker Alexander Friedmann berichtete wiederum von dem Umgang mit ihm als Wissenschaftler, wenn er Vorträge hält. Ihm werde beispielsweise unterstellt, dass er israelische Propaganda betreibe, nur weil er auch für die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem arbeite. "Ich bin ein Forscher, kein Propagandist", sagte der Lehrbeauftragte an der Universität des Saarlandes und an der Duisburger Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW. Die Situation in Deutschland sei aber besser als in Großbritannien oder Frankreich. Ein Yad Vashem-Kollege und Holocaustforscher habe in Großbritannien drei Vorträge an Universitäten wegen heftiger Proteste absagen müssen.

"Ich reagiere auf den Antisemitismus, den ich regelmäßig in Deutschland erlebe, ziemlich gelassen, weil ich eine weißrussische Sozialisation habe", betonte Friedmann. "Ich bin in einer Gesellschaft geboren und aufgewachsen, die antisemitisch ist." Beschimpfungen und Prügeleien auf dem Schulhof seien selbstverständlich gewesen. Er wisse aber nicht, wie er reagieren würde, wenn seine in Deutschland geborene Tochter das erlebe. "Meine Tochter hat diese Schutzmechanismen nicht", sagte er.