Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wirbt für mehr Schüleraustausch zwischen Schulen in NRW und Ostdeutschland. "Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall wissen wir zu wenig voneinander", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (9. November). Viele Rheinländer oder Westfalen seien noch nie in Ostdeutschland gewesen. Das gelte gerade auch für junge Leute.

Klassenfahrten führten nach Paris, Barcelona oder Berlin. "Warum nicht auch nach Erfurt oder Greifswald?", fragte Laschet. Man müsse die Schüler mehr "rübermachen" lassen. Im Idealfall entstünden neue Freundschaften. "Das brauchen wir, um heute zusammenzubringen, was seit 30 Jahren zusammengehört", sagte der NRW-Ministerpräsident.

Schulministerin: Erinnerung an DDR-Geschichte droht zu verblassen

Dem stimmte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) zu. "Gerade weil junge Menschen heute wie selbstverständlich in einem geeinten Deutschland aufwachsen und Erinnerungen verblassen, werden Schulfahrten und Begegnungen zur deutsch-deutschen Teilung und Wiedervereinigung immer bedeutender", erklärte sie. Die Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte und SED-Diktatur seien "ein unverzichtbarer Bestandteil unserer historisch-politischen Bildung".

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), bewertete den Vorschlag positiv. "Wir erleben gerade, dass tatsächliche und scheinbare Gegensätze wieder stärker betont und in den Blick genommen werden", sagte er der Zeitung. Unkenntnis und Fremdheit nehme eher wieder zu.

Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) befürwortet einem Sprecher zufolge Schüleraustausch, sowohl international als auch zwischen Ost und West, zum besseren Verständnis unterschiedlicher Lebensbedingungen und Auffassungen. Auch Treffen an markanten Punkten der Geschichte wie dem ehemaligen Grenzkontrollpunkt Marienborn seien wünschenswert, sagte der Sprecher dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Einen Zwang dazu lehne Haseloff aber ab.

Umfrage: Jeder sechste Westdeutsche war seit 1989 noch nicht im Osten

Menschen aus Ostdeutschland reisen weit häufiger in die alten Bundesländer als umgekehrt. Laut ARD-Deutschlandtrend sind seit dem Mauerfall vor 30 Jahren Menschen aus Westdeutschland im Schnitt 17 Mal privat in die neuen Bundesländer außer Berlin gereist, wie der Westdeutsche Rundfunk (WDR) in Köln am 7. November mitteilte. Ostdeutsche wählten den umgekehrten Weg im selben Zeitraum im Schnitt 68 Mal - also viermal so oft. Nur zwei Prozent der befragten Ostdeutschen waren noch nie privat in die alten Bundesländer gereist, bei den Westdeutschen waren es 17 Prozent, die noch nie privat in den neuen Bundesländern waren.

Eine Mehrheit der Deutschen hat insgesamt einen positiven Blick auf die Wiedervereinigung. In Westdeutschland sagten 56 Prozent der Befragten, die deutsche Vereinigung habe für sie persönlich eher Vorteile gebracht - das bedeutete eine Plus von fünf Punkten gegenüber dem September 2009. In Ostdeutschland sehen 60 Prozent der Befragten für sich persönlich eher Vorteile. Die Quote ging diesem Bereich allerdings nach unten - vor zehn Jahren hatte sie noch bei 67 Prozent gelegen.

Die heutigen Verhältnisse in Deutschland werden im Vergleich zur früheren DDR von den Befragten zumeist positiv gesehen. Insbesondere die Reisemöglichkeiten bewerteten 92 Prozent der Ost- und 94 Prozent der Westdeutschen heute als besser. Die heutige Wirtschaft halten 65 Prozent der Ostdeutschen und 80 Prozent der Westdeutschen für besser als die Wirtschaft in der DDR.

77 Prozent der Befragten im Osten kritisieren allerdings, dass die Lebensleistung der ehemaligen DDR-Bürger im wiedervereinigten Deutschland nicht ausreichend wertgeschätzt werde. Im Westen teilten 49 Prozent diese Ansicht, 43 Prozent stimmten der Aussage nicht zu.

Für die repräsentative Umfrage hatte Infratest Dimap im Auftrag der ARD am 4. und 5. November insgesamt 1.007 Menschen befragt. Per Telefon wurden je zur Hälfte Menschen interviewt, die in den alten oder den neuen Bundesländern leben.