Am Himmel eine "Freiheitswolke", darunter ein internationales fröhliches Publikum: Sieben Tage lang hat Berlin mit Gästen aus aller Welt den 30. Jahrestag des Mauerfalls und der friedlichen Revolution in Ostdeutschland gefeiert. Höhepunkt der Festivalwoche war am Abend des 9. November eine große Bühnenschau vor dem Brandenburger Tor.

Zehntausende Menschen strömten dafür zu dem Wahrzeichen der Bundeshauptstadt. Über ihnen schwebte die "Freiheitswolke", eine in mehreren Farben illuminierte Kunstinstallation aus rund 30.000 Bändern, auf denen Menschen ihre Wünsche und Hoffnungen für die Gesellschaft geschrieben hatten. Wie etwa die 45-jährige Yuliya aus Berlin, die erklärte: "Der Mauerfall steht für mich symbolisch dafür, dass es möglich ist, Kraft des persönlichen Engagements und selbstständigen Denkens das scheinbar Unmögliche zu erreichen - die Freiheit."

Aber nicht nur Berliner feierten den Mauerfall und somit auch den Fall des Eisernen Vorhangs, der bis vor 30 Jahren ganz Deutschland in zwei Länder, zwei Systeme und zwei Welten zerteilte.

"Europäische Geschichte"

Vor der Kulisse des Brandenburger Tors lässt der Italiener Davide seine kleine Tochter ausgelassen durch die Luft kreisen: "Der Mauerfall ist nicht nur ein Berliner oder ein deutsches historisches Datum. Es ist europäische Geschichte", sagt der 31-Jährige. Und mit Blick auf seine zweijährige Tochter betont er: "In der Welt werden jetzt gerade wieder so viele neue Mauern errichtet. Es ist wichtig, von Anfang an zu verstehen, was das bedeutet."

Die rund zweistündige Bühnenschau wurde von Politikern, Zeitzeugen sowie zahlreichen Künstlern gestaltet, darunter Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Stardirigent Daniel Barenboim, der mit der Staatskapelle Berlin Beethovens 5. Symphonie, die Schicksalssinfonie, aufführte. Parallel dazu wurde auf mehreren Großbildschirmen historisches Filmmaterial in Schwarz-Weiß gezeigt vom Bau der Mauer über die Zeit der Teilung Deutschlands bis hin zum Mauerfall.

Müller räumt in seiner Rede ein: "Im Prozess der Wiedervereinigung ist nicht alles sofort und nicht alles gut gelungen." Trotzdem sei es eine beeindruckende Erfolgsgeschichte. Zugleich würdigt er alle Menschen, die am Zusammenwachsen Deutschlands mitgeholfen haben und sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt engagieren. Für Berlin sei der Mauerfall das größte Glück gewesen.

Dem stimmt auch das Ehepaar Lindemann zu, die im West-Berliner Stadtteil Frohnau bis 1989 täglich die Mauer vor Augen hatten. Der andere Teil der Familie lebte auf der anderen Seite im Ostteil. "Manchmal konnten wir uns sehen. Zwischen uns die Grenzsoldaten. Aber wir haben unseren Verwandten in der DDR nicht zugewunken, weil wir sie nicht in Schwierigkeiten bringen wollte", sagt Herr Lindemann sichtlich bewegt.

"Mauern aus Frust"

Emotionen gibt es auch bei einem Ehepaar aus Dresden, das sich die Jubiläumsfeier am Brandenburger Tor anschaut. "Wenn ich die Bilder sehe, kommt schon die eine oder andere Träne", räumt der 60-jährige Mann ein. Am 9. November 1989 arbeitete er als Feuerwehrmann und hat den ganzen Abend im Fernsehen die Nachrichten verfolgt. Schon wenige Tage später ist er mit Kollegen nach West-Berlin gereist. "Ich wollte mir das mal anschauen."

Es sind aber nicht nur gute Erinnerungen, die das Jubiläum bei ihm auslöst. Der Dresdner erzählt, dass er auch als Grenzsoldat am sächsisch-bayerischen Todesstreifen gearbeitet hat. Weg hätte er damals nicht gekonnt, dann wäre er "im Knast gelandet". Seine 54-Jährige Frau erinnert sich an die angespannten Wochen in Dresden vor dem Mauerfall. Bei den Friedensdemonstrationen oder als die Flüchtlingszüge von Prag in die Bundesrepublik fuhren, wussten die Dresdner nicht, "ob es friedlich bleibt oder ob geschossen wird". Sie wünscht sich, dass nicht nur über den Freiheitskampf aus Leipzig oder Berlin berichtet wird. Auch an vielen anderen Orten im Osten habe es engagierte Menschen gegeben, die Mut bewiesen hätten "lange vor der großen Demo in Leipzig".

Staatspräsident Steinmeier ermutigt die Menschen in Deutschland unterdessen, sich gegenseitig mehr von ihren individuellen Geschichten zu erzählen: "Hören wir einander zu und nehmen wir uns gegenseitig ernst." Zugleich ruft er dazu auf, neu entstandene Mauern einzureißen. "Mauern aus Frust, Mauern aus Wut und Hass. Mauern der Sprachlosigkeit und der Entfremdung. Mauern, die unsichtbar sind, aber trotzdem spalten. Mauern, die unserem Zusammenhalt im Wege stehen."