Bonn (epd). Promi-Fotos in der Badehose können verhängnisvoll sein. Das hätte der frühere SPD-Vorsitzende und Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping eigentlich wissen können. 2001 führten seine Bade-Fotos mit seiner damaligen Lebensgefährtin Kristina Gräfin Pilati auf Mallorca zum Eklat. Schon 82 Jahre zuvor hatten Badehosen-Fotos von Scharpings Vorgänger Friedrich Ebert einen Skandal mit langfristigem Imageschaden ausgelöst. Zu sehen ist das historische Foto in der Ausstellung "Fotografie in der Weimarer Republik" im LVR-Landesmuseum Bonn.
"Die Ausstellung gewährt einen multifokalen Blick in eine Zeit, die uns sehr viel angeht", erklärt Kurator Lothar Altringer. Wenn man in die Weimarer Zeit gebeamt würde, wäre uns diese Zeit sehr vertraut, sagt Museumsdirektorin Gabriele Uelsberg. Die rund 350 Vintage-Fotografien sowie Buchdrucke und Zeitschriftenabbildungen dokumentieren, dass die 20er Jahre Keimzelle vieler moderner Entwicklungen waren, die bis heute nachwirken.
Vielschichtige Epoche
Die Weimarer Zeit ist die erste Epoche, die sich anhand von Fotografien in ihrer Vielschichtigkeit nachvollziehen lässt. Denn erstmals konnten Fotografinnen und Fotografen alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens abbilden. Zudem errang die Fotografie mit Vertretern wie August Sander, Lotte Jacobi, Hugo Erfurth oder Alfred Eisenstaedt den Status eines künstlerischen Mediums.
Die Bonner Ausstellung, die bis zum 19. Januar zu sehen ist, dokumentiert die vielen, teils widersprüchlichen Facetten der Zeit zwischen 1918 und 1933. Sie beginnt mit der Heimkehr der Frontsoldaten aus dem Ersten Weltkrieg. Eine einprägsame Arbeit eines unbekannten Fotografen zeigt einen Soldaten, der seine Habseligkeiten in einem verschnürten Karton am Knauf seines Gewehrs schultert. Berühmt wurde auch eine wahrscheinlich heimlich über die Mauer geschossene Aufnahme des abgedankten Kaiser Wilhelm II. im umzäunten Park des Grafen von Bentinck im niederländischen Amerongen.
Junge Lotte Lenya: Ikone der neuen selbstbewussten Frau
Dann folgt der Aufbruch in die neue Zeit. Die Porträtfotografie offenbart eine veränderte Sicht auf die Rolle der Frau. Die Fotografin Lotte Jacobi schuf mit ihrem Porträt der Schauspielerin Lotte Lenya eine Ikone des neuen Frauenbildes. Mit Bubikopf, in der rechten Hand eine Zigarette, blickt sie dem Betrachter direkt und offen entgegen. Auch in der Modefotografie zeigte sich eine neue Sicht auf Weiblichkeit. Frauen trugen zum einen Anzüge oder Mäntel mit Herrenschnitten. Andererseits werden sie selbstbewusst in lasziven und verführerischen Posen abgelichtet.
Die Fotografien sind aber auch Beleg für die großen Gegensätze der Zeit. Eindrucksvoll zeugen die Aufnahmen August Sanders von Bettlerinnen und Bettlern während der Weltwirtschaftskrise vom Elend großer Bevölkerungsschichten. 1930 waren fast 500.000 Deutsche obdachlos. Das zeigt sich auf den Straßen des Landes. Hans Bresler begleitet einfache Arbeiter und fotografiert sie an ihrem Arbeitsplatz und in ihren Elendswohnungen.
Fotografie wird künstlerisches Medium
Zugleich frönt eine betuchte Oberschicht dem glamourösen Luxus. Erich Salomon fotografiert die höhere Gesellschaft am Kalten Buffet, wo sich eine füllige Dame Häppchen in den Mund stopft. Die Fotografin Yva schaut in die Salons der Betuchten, die sich bei Champagner und Musik vom Grammophon amüsieren.
Doch auch die heile Welt der Begüterten ist bedroht. Denn die Demokratie wird von allen Seiten angegriffen. Otto Haeckel fotografiert Putschisten auf dem Potsdamer Platz während des Kapp-Putsches 1920 und Erich Hoffmann die Angeklagten des Hitler-Prozesses 1924.
Ein weiterer Erzählstrang der Ausstellung ist die Entwicklung der Fotografie zu einem künstlerischen Medium. Dafür stehen Fotografien in Stil der Neuen Sachlichkeit und aus dem Kreis der Künstler des Dadaismus. Die Architektur des Bauhauses mit ihrer Funktionalität und den klaren Linien bietet die Vorlage für eine bis heute modern wirkende fotografische Ästhetik. Damit leistet die Ausstellung ihren Beitrag des von der Kunststiftung NRW geförderten Jubiläumsprojektes "100 jahre bauhaus im westen".