Sie treffen sich in einem Bonner Restaurant - dabei können manche von ihnen nichts essen und nur schlückchenweise trinken. Doch die Mitglieder der Selbsthilfegruppe für Menschen mit Kopf-Hals- oder Mundkrebs wollen sich öffentlich zeigen. "Leute mit Kau- und Schluckbeschwerden verkriechen sich meist und vereinsamen", erklärt Peter Schilling. Der 69-Jährige hat Mundbodenkrebs, die Hälfte seiner Zunge und ein Teil seines Unterkiefers mussten operativ entfernt werden.

"Seitdem sehe ich halt so aus, wie ich aussehe", erklärt er trocken. Er wird mit einer Magensonde versorgt und kann nur noch kleine Mengen trinken. Sich mit Angehörigen öffentlich zu zeigen, das trauten sich Betroffene dann kaum mehr, erzählt Schilling. Das Robert-Koch-Institut rechnet derzeit jährlich mit 13.000 Neuerkrankungen mit Tumor in Mundhöhle und Rachen. "Und da frage ich mich: Wo sind die eigentlich?", fragt Schilling. "Man sieht sie nicht." Hier setzten Selbsthilfegruppen an.

"Bleibt alles unter uns"

2018 gründete er in Bonn seine lokale Gruppe unter dem Dach des bundesweiten Netzwerks "Kopf-Hals-Mund-Krebs". Ein Dutzend Kranke, zum Teil mit Angehörigen, komme regelmäßig zusammen. "Wir hören uns erst einmal zu, diskutieren darüber, was uns bedrückt", berichtet Schilling. "Jeder weiß, dass das alles unter uns bleibt." Einmal im Quartal beraten Fachkräfte. "Die Gruppe kann Wege aufzeigen, aber nicht versprechen, dass alles gut wird", betont Schilling.

In Nordrhein-Westfalen bringen sich nach Angaben des Wohlfahrtsverbandes Der Paritätische NRW etwa 700.000 Menschen in bis zu 15.000 Selbsthilfegruppen ein. Mit 37 örtlichen Selbsthilfe-Kontaktstellen und -Büros ist der Paritätische als Dachverband Anlaufstelle für rund Dreiviertel aller Gruppen in NRW, erklärt Susanne Meimberg, Pressesprecherin des Verbands in Wuppertal. Die Tendenz, Selbsthilfegruppen zu gründen, sei weiterhin steigend - wenn auch nicht mehr ganz so stark wie noch vor Jahren. "Zuwachs gibt es aktuell im Bereich der psychischen Erkrankungen und hier besonders beim Thema Depression", sagt Meimberg.

Etwa 70 Prozent der Gruppen beschäftigten sich mit der Gesundheitsselbsthilfe, 30 Prozent mit der sozialen Selbsthilfe - dort treffen sich etwa Senioren, Migranten oder Alleinerziehende, erläutert die Verbandssprecherin. Für die Gründung einer Gruppe gebe es keine formellen Voraussetzungen. In einer Selbsthilfegruppe unterstützten sich die Betroffenen gegenseitig, sagt Meimberg. Damit könnten sie helfen, alltägliche Probleme zu bewältigen. "Eine Selbsthilfegruppe ersetzt allerdings keine therapeutische oder ärztliche Hilfe", mahnt sie.

Keine Zeit nach der Behandlung

Das bestätigt Gunthard Kissinger, Leiter der Bundesgeschäftsstelle vom Verein "Kopf-Hals-Mund-Krebs" in Bonn. Neben Schillings Bonner Selbsthilfegruppe vertritt das Netzwerk auch bundesweit Gruppen, etwa in Recklinghausen, München und Berlin. "Wir decken bislang rund 200 Menschen ab", sagt Kissinger. Gefördert wird der Verein von der Deutschen Krebshilfe.

Als Betroffener leitet er außerdem die Koblenzer Gruppe. In Kliniken habe das Personal nach der Behandlung meist keine Zeit, Erkrankte weiter zu beraten, meint er. "Die stehen dann alleine da und wissen nicht, wie sie mit ihrer Krankheit weiter umgehen sollen", sagt Kissinger. Gerade bei Krebsarten oberhalb des Kehlkopfes brauchten die Menschen aber Unterstützung, denn die Sterberate sei mit 30 Prozent sehr hoch. "Deshalb ist unsere Selbsthilfearbeit besonders wichtig", betont er.