Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen will den Dialog mit Muslimen im Land auf eine neue Grundlage stellen. Dazu hat am 1. Juli die bundesweit erste Koordinierungsstelle für Muslimisches Engagement in Nordrhein-Westfalen ihre Arbeit aufgenommen, wie der Düsseldorfer Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) und Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) mitteilten. Auf einem Kongress mit rund 200 Vertretern aus mehr als 100 muslimisch geprägten Organisationen stellten sie die neue Plattform "Muslimisches Engagement in NRW" vor.

Beim Sport, in der Flüchtlingshilfe oder im Umweltschutz leisteten Muslime haupt- und ehrenamtlich Beiträge für das Zusammenleben, erklärte Stamp. "Dieses Engagement wollen wir stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken und gleichzeitig den Dialog mit der muslimischen Community auf eine breite Basis stellen."

Bundesweit erste Koordinierungsstelle nimmt Arbeit auf

Mit der neuen Koordinierungsstelle würden alle religiösen, beruflichen und zivilgesellschaftlichen Gruppen unabhängig von ihrer Größe eingebunden. Ihren Sitz hat die Koordinierungsstelle im Integrationsministerium und wird von dem Soziologen Aladin El-Mafaalani geleitet. Die dort erarbeiteten Handlungsempfehlungen zu Fragen der Lebensrealität hier lebender Muslime sind für die Landesregierung nicht bindend.

Die NRW-Landesregierung setze sich für alle Bürger unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit ein, betonte der stellvertretende Ministerpräsident. "Muslime gehören selbstverständlich zu Deutschland und damit auch ihre Religion." Es zählten nicht die Herkunft oder der Glaube, sondern die Haltung zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und ihren Werten. "Um Islam- und Muslimfeindlichkeit wirksam etwas entgegensetzen zu können, brauchen wir breite Bündnisse und einen starken Zusammenhalt in unserer Gesellschaft."

Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) hatte zuvor auf umfassende Veränderungen innerhalb des größten deutschen Islamverbands, der türkisch-islamischen Union Ditib gedrängt. Vor dem Düsseldorfer Kongress forderte Stamp den Islamverband zur Unabhängigkeit vom türkischen Staat auf. Die Ditib sei ein heterogenes Gebilde, sagte der Minister der Bielefelder "Neuen Westfälischen" (1. Juli).

Stamp: "Wir wünschen uns weniger Doktrin aus Ankara"

Manche Mitglieder und Gemeinden sehnten Veränderungen in ihrem Verband herbei. "Wir hoffen auf eine Graswurzelbewegung innerhalb der Ditib und setzen auf Vielfalt." Stamp ermutigte mit Blick auf die neue Koordinierungsstelle liberale Mitglieder der Ditib zu einer offenen Debatte über freiheitlich-demokratische Werte. "Wir wünschen uns weniger Doktrin aus Ankara", sagte er der Zeitung.

Die Ditib ist der größte Islamverband in Deutschland. Bundesweit gehören rund 900 Moscheen zu dem Dachverband für türkischstämmige Muslime. Die Ditib ist eng angebunden an die türkische Religionsbehörde Diyanet. In Deutschland predigende Imame werden aus der Türkei entsendet.

Seit dem Putschversuch 2016 in der Türkei ist die Anbindung an Ankara zu einem Problem geworden. Der Generalbundesanwalt ermittelte gegen Ditib-Imame, denen vorgeworfen wurde, gegen mutmaßliche Erdogan-Kritiker spioniert zu haben. Die Bundesregierung stellte die Förderung von Projekten in Trägerschaft der Ditib ein. In NRW ruht die Mitgliedschaft der Ditib in einem Beirat im Zusammenhang mit islamischem Unterricht an Schulen. Auch in der Gefängnisseelsorge und bei der Salafismus-Prävention ruhen die Kooperationen des Landes mit der Ditib.