Leipzig (epd). "Nice to meet you", stammelt die Jugendliche. Dann wendet sie sich ab, wischt sich Tränen aus den Augen. Prinz Charles ist da schon wieder weg, schüttelt die Hand der nächsten Leipzigerin. "Das war super", sagt die Frau im Anschluss beseelt und strahlt. "Er hat mir die Hand gegeben und auf Deutsch 'Guten Tag' gesagt."
Einen halben Tag verbringt das royale Paar am 8. Mai in Leipzig - Sachsens größte Stadt ist nach Berlin die zweite Station des viertätigen Deutschlandbesuchs. Vor allem der 70-jährige Sohn von Königin Elisabeth II. gibt sich dabei locker, fröhlich und entspannt. Er scherzt und schüttelt Hände, lächelt, geht auf die Menschen zu.
Besonders auf dem kurzen Fußweg von der Thomaskirche zum Alten Rathaus auf dem Marktplatz kommt das richtig gut an bei den Menschen. Zu Hunderten drängen sie sich am Straßenrand, um einen Blick auf die Royals zu werfen und möglichst auch ein Foto zu schießen. Die Atmosphäre ist gelöst, immer wieder bleibt der Thronfolger stehen und wechselt lächelnd ein paar Worte mit den Wartenden.
Thomaner-Privatkonzert
Angereist mit dem ICE, wurden Charles und Camilla zuvor von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) vor der Thomaskirche empfangen. Schon dort brandet Jubel auf.
Im Inneren der Kirche nehmen die Royals auf zwei Stühlen im Chorraum Platz und lauschen zusammen mit rund vier Dutzend geladenen Mitarbeitern von Chor und Pfarramt einem Exklusivkonzert: Nach einem Orgelvorspiel gibt der weltbekannte Thomanerchor Johann Sebastian Bachs Motette "Der Geist hilft unser Schwachheit auf" und Felix Mendelssohn Bartholdys Vertonung von Psalm 2 ("Warum toben die Heiden") zum Besten. Charles und Camilla sind von der Darbietung sichtlich beeindruckt, nehmen sich im Anschluss viel Zeit, um mit den Chorknaben zu sprechen.
Thomaskirchenpfarrerin Britta Taddiken erzählt hinterher, der Prinz habe sie gefragt, ob die Thomaner nicht auch einmal nach Großbritannien kommen könnten. Auch bei der anschließenden Kirchenführung interessiert sich der Thronfolger, wie Taddiken erzählt, vor allem für das reiche musikalische Erbe der Stadt. Er habe sich nach den Verbindungen zwischen Bach und Mendelssohn erkundigt, die beide in Leipzig wirkten, und Bachs in der Kirche gelegenes Grab besichtigt. "Ganz begeistert" war Prinz Charles dann laut Taddiken über den Eintrag im Kirchenbuch, dass Komponist Richard Wagner (1813-1883) in der Thomaskirche getauft wurde. "Er ist ja Wagner-Fan", erklärt die Pfarrerin.
Insgesamt, resümiert Taddiken, sei der Besuch der Royals in "sehr lockerer Atmosphäre" verlaufen. Bei manch vorherigem Besuch in der berühmten Kirche - etwa von Botschaftern oder Außenministern - sei das durchaus anders gewesen. Und auch Prinz Charles, ist sich Taddiken sicher, nimmt etwas mit von seinem Besuch in Stadt und Kirche - genau wie die vielen Schaulustigen in der Innenstadt.
Gespräch mit Bürgerrechtlern
Nach dem entspannten Spaziergang zum Marktplatz stand für die Royals zunächst ein Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Leipzig im Alten Rathaus auf dem Programm. Danach war ein Gespräch mit Schülern aus Leipzig und der Partnerstadt Birmingham geplant. Zum Abschluss ging es in die benachbarte Nikolaikirche. Am Ausgangspunkt der historischen Leipziger Montagsdemonstrationen unterhielten sich Charles und Camilla unter anderem mit den früheren DDR-Bürgerrechtlern Regine Schild, Uwe Schwabe und Stephan Bickhardt über die friedliche Revolution von 1989.