Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, hat sich besorgt über ein "Auseinanderdriften der sozialen Milieus in der Gesellschaft" geäußert. "Die größer werdende Kluft findet nicht zuletzt in den politischen Verwerfungen unserer Tage eine Entsprechung", sagte der Theologe am 7. Januar vor der rheinischen Landessynode in Bad Neuenahr. Es sei deshalb eine drängende sozialpolitische Herausforderung, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu fördern. Dies sei gerade in Zeiten einer wachsenden Wirtschaftsleistung Aufgabe eine vorausschauenden Politik.

Zwar seien die Arbeitslosenzahlen so niedrig wie lange nicht mehr und auch die öffentlichen Kassen verzeichneten regelmäßig Mehreinnahmen, sagte der leitende Theologe der zweitgrößten deutschen Landeskirche. Zugleich lebten aber viele Menschen nach wie vor von Hartz IV oder könnten als Aufstocker nicht allein vom Lohn ihrer Arbeit leben. Immer mehr Menschen könnten sich Wohnungen in den Städten nicht mehr leisten und ein großer Prozentsatz der Kinder wachse "in diesem reichen Land unter Hartz-IV-Bedingungen auf".

Nach fast einem Jahrzehnt ungebrochenen Wirtschaftswachstums stehe sehr vielen Menschen tagtäglich vor Augen, wie fragil ihre soziale Lage sei, sagte der 60-jährige Theologe. "Deshalb ist es richtig und wichtig, dass Kirchen und Sozialverbände auch in diesen prosperierenden Zeiten nicht nachlassen, für die Perspektive derer einzutreten, die in unserer Gesellschaft am Rande stehen." Sozialpolitische Entscheidung müssten mit einer langfristigen Perspektive getroffen werden, weil sie sich langfristig auswirkten.

Rekowski: Braunkohle-Ausstieg sozialverträglich gestalten

In der Diskussion über die Zukunft der Braunkohle warnt der Präses vor einem Strukturwandel zu Lasten der Menschen in den Tagebauregionen. Die Folgen des Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung müssten gesamtgesellschaftlich getragen werden, sagte Rekowski. Der Theologe wies darauf hin, dass im Steinkohlebergbau seit den 50er Jahren mehr als 500.000 Arbeitsplätze sozialverträglich abgebaut worden seien. "Angesichts dieser gewaltigen Aufgabe, die unser Land gemeinsam bewältigt hat, scheint uns auch ein Transformationsprozess im Bereich der Braunkohle leistbar." Er müsse allerdings politisch gesteuert und gewollt werden. "Die dringlichste Frage scheint uns, dass es einen Zukunftsplan für die gesamte Region und verlässliche Perspektiven für die Betroffenen gibt", sagte Rekowski.

In der rheinischen Kirche sind fünf Kirchenkreise mit mehr als 450.000 evangelischen Gemeindemitgliedern vom Braunkohletagebau betroffen. Die Landeskirche setzt sich für einen Ausstieg aus der Kohleverstromung zum Schutz des Klimas ein, mahnt aber zugleich, die Zukunft der Beschäftigten im Blick zu behalten. Es gebe eine "Parteilichkeit der Kirche" sowohl für die Armen als auch für die Schöpfung, sagte Rekowski.

Aufruf zum Vertrauen

Die rheinische Landessynode hatte am 6. Januar mit einem Gottesdienst begonnen. Die Predigt zum Thema Vertrauen hielten fünf Mitglieder der ersten rheinischen Jugendsynode, die ihre Beratungen zuvor mit Forderungen nach mehr Einfluss und Beteiligung junger Leute beendet hatte. Im Vertrauen auf Gott lasse sich Neues entdecken und wagen, sagte Landesjugendpfarrerin Simone Enthöfer. Oberkirchenrätin Henrike Tetz hob hervor, dass Jesus Christus den Menschen "inmitten des Getöses der Welt" begegne, auch wenn sie ihn dort nicht vermuteten.

Die Synode beschäftigt sich bis 11. Januar unter anderem um die Beschlüsse der 110 Jugendsynodalen. Sie verlangen flächendeckend Jugendausschüsse in allen Gemeinden und Kirchenkreisen mit einer 50-Prozent-Quote für junge Leute. In Modellprojekten sollten zudem verbindliche Formen von mehr Teilhabe junger Menschen erprobt werden. Weitere Beschlüsse fasste die Jugendsynode zu den Themen Jugendarbeit, Jugend- und Familienarmut, Flüchtlinge und neue Gemeindeformen.

Die 206 stimmberechtigten und 27 beratenden Mitglieder der Landessynode entscheiden auch über weitere Belange der rheinischen Landeskirche, der mehr als 2,5 Millionen Protestanten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Hessen angehören. So verabschiedet die Synode den Haushalt für 2019 und erörtert in Arbeitsgruppen und Ausschüssen eine gerechtere Verteilung der Kirchensteuereinnahmen.

Ein Hauptthema ist die Förderung innovativer Formen von Kirchengemeinde, dafür ist ein Fördertopf von insgesamt fünf Millionen Euro für die kommenden zehn Jahre vorgesehen. Außerdem geht es um die Bezahlung der Pfarrer und die Begegnung mit Kirchenvertretern aus Südafrika und Hongkong, die aus der Missionsarbeit der Rheinischen Missionsgesellschaft hervorgegangen sind. Als Gast wurde am 7. Januar der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) erwartet, der ein Grußwort sprechen sollte.