Junge Menschen bewerten nach den Worten des Gemeindepädagogen Wolfgang Ilg die Kirche positiv. Ihnen fehle aber der Bezug zum eigenen Leben, sagte der Professor für Jugendarbeit und Gemeindepädagogik an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg am 4. Januar bei der rheinischen Jugendsynode in Bad Neuenahr. "Kirche hat nicht in erster Linie ein Imageproblem, sondern ein Relevanzproblem."

Ilg präsentierte eine für die Jugendsynode erstellte Sonderauswertung eines Forschungsprojekts an der Universität Freiburg, welches unter der Leitung von Bernd Raffelhüschen steht. Das Projekt sieht Ilg zufolge für jede evangelische Landeskirche und katholische Diözese langfristige Projektionen von Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteueraufkommen bis 2060 vor. Ergebnisse dieser bundesweit ersten koordinierten ökumenischen Mitglieder- und Kirchensteuervorausberechnung würden Anfang Mai veröffentlicht.

Demnach ist die höchste Wahrscheinlichkeit im Laufe eines Lebens evangelisch zu sein, zwischen dem 14. und 25. Lebensjahr. So nehme die Größe eines Konfirmationsjahrgangs in den 25 Jahren nach der Konfirmation um etwa ein Viertel ab, sagte Ilg. Kirche müsse fragen, welche positiven Erfahrungen in den Jahren zwischen 14 und 28 fehlten, um der Kirche treu zu bleiben.

"Glaube wird in der Gemeinschaft erlebbar, wird relevant", betonte der Theologe. Gemeinschaft sei eine Kernerfahrung kirchlicher Jugendarbeit. Es brauche einen Raum, damit diese Botschaft erlebbar werde. Jugendliche seien sich allerdings einig, dass der Gottesdienst am Sonntagmorgen nicht dafür geschaffen sei. Es ist dem Wissenschaftler zufolge an der Zeit, die Fixierung auf den Sonntagsgottesdienst als einzige "Mitte der Gemeinde" zu beenden. "Warum sollten junge Menschen ihre Mitte der Gemeinde nicht auch bei einer Freizeit erleben?", fragte er.

Gemeindepädagoge: Partizipation bedeutet mehr als Zuhören

Ilg warnte zudem vor einem zu engen Partizipationsbegriff in der Kirche. Es gehe "nicht um Zugeständnisse des Hirtenkreises an seine Schäfchen". Partizipation bedeute auch mitentscheiden zu können. "Wenn Partizipation gelingt, bleibt die Kirche nicht wie sie ist", unterstrich der Theologe und Psychologe. Neue engagierte Menschen sorgten automatisch für Veränderungen.

"Systeme im Krisenmodus neigen dazu, festzuhalten, was geht", sagte Ilg. Sie wollten bewahren und Änderungen vermeiden. "Wer festhalten, den Bestand erhalten will, wird spüren, wie verloren geht, was man doch zu sichern suchte." Aus einer Haltung der Gelassenheit und dem Loslassen könne hingegen Neues entstehen.