Abdul-Abbas war ein treuer Begleiter Karls des Großen. Der Elefant erregte überall dort, wo er mit dem Kaiser auftauchte, großes Aufsehen. Doch wie kam das exotische Tier nach Europa? Diese und andere Geschichten erzählt die Ausstellung "Europa in Bewegung. Lebenswelten im frühen Mittelalter" im LVR-Landesmuseum in Bonn. Die Schau, die bis zum 12. Mai 2019 zu sehen ist, zeichnet ein neues, überraschendes Bild von der Epoche nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches.

Wie der Elefant zu Karl dem Großen kam

Die Zeit um das Jahr 500 nach Christus gelte als "Dunkles Zeitalter", sei aber in Wirklichkeit eine Epoche ungeheurer kultureller Vielfalt gewesen, erklärt der stellvertretende Museumsdirektor, Lothar Altringer. Im Westen werde das Ende des römischen Reiches als Zusammenbruch betrachtet. "Aber tatsächlich sind stattdessen wieder neue Strukturen entstanden." Besonders überraschend sei der rege kulturelle Austausch, der in dieser Zeit stattgefunden habe. Pilger oder Händler reisten über Tausende Kilometer und transportierten Wissen und Waren zwischen Irland und Spanien im Westen und Ägypten und Ungarn im Osten. Davon zeugen in der Ausstellung rund 300 wertvolle Objekte aus dieser Zeit, die aus verschiedenen europäischen Sammlungen nach Bonn kamen.

So legte auch der indische Elefant Abdul-Abbas den weiten Weg von Bagdad ins Frankenreich zurück. Er war ein Geschenk des Kalifen von Bagdad, Harun-al-Raschid an Karl den Großen. Ein jüdischer Dolmetscher und Gesandter Karls holte das wertvolle Tier ab und führte es über ein Jahr lang bis nach Aachen.

Völkerwanderungen

Die Ausstellung empfängt den Besucher aber zunächst einmal mit einer animierten Landkarte, die verdeutlicht, wie sehr Europa in der Zeit zwischen 300 und 1.000 nach Christus in Bewegung war. Volksstämme wanderten und vermischten sich auf der Reise mit anderen Gruppen. Vielfältige Handelsbeziehungen ließen einen Hauch von Globalisierung über den Kontinent wehen. Die Zeit sei von der Bewegung großer Menschengruppen, Verlagerung von Märkten, dem Umbruch politischer Strukturen, religiösen Konflikten und Klimaschwankungen geprägt gewesen, sagt Kuratorin Elke Nieveler. "Das kommt uns heute seltsam vertraut vor."

Den regen Austausch zwischen den Völkern und die Beziehungen zwischen der christlichen und islamischen Welt veranschaulicht die Ausstellung am Beispiel einzelner Zeitzeugen. Sie werden mit kurzen Filmen und passenden Exponaten vorgestellt. Da ist etwa die byzantinische Prinzessin Theophanu, die 972 im Alter von nur zwölf Jahren mit Otto II., dem König des ostfränkischen Reiches, verheiratet wird. Nach dessen Tod überrascht sie ihre Widersacher, indem sie das Reich tatkräftig zusammenhält. Die Ordensfrau Egeria hingegen wurde bekannt durch ihre Reiseberichte von einer Pilgerfahrt ins Heilige Land.

Europäisches Forschungsprojekt

Die Ausstellung thematisiert nicht nur die frühe Geschichte Europas. Sie entstand auch als europäisches Forschungsprojekt. So vereint sie eine Anzahl seltener Objekte aus führenden Mittelalter-Sammlungen europäischer Museen, die normalerweise nicht auf Reisen geschickt werden.

Besonders beeindruckend sind etwa gut erhaltene Textilien wie eine aus dem heutigen Ägypten stammende Kindertunika mit Blumenstickereien aus dem fünften Jahrhundert. Erstaunlich ist auch der unversehrte Zustand vergoldeter Lederschuhe aus dem vierten Jahrhundert mit den für das Mittelalter typischen Fußspitzen. Ein weiteres Highlight sind Elfenbeinschnitzereien wie etwa ein Bischofsthron aus Ravenna aus dem fünften bis sechsten Jahrhundert.

Alte Geschichte mit moderner Hologramm-Technik inszeniert

Einzelne Objekte der Ausstellung werden lebendig, indem ihre Geschichte mit digitaler Hologramm-Technik inszeniert wird. Dreidimensionale Bilder zeigen das Exponat aus der Vitrine aus unterschiedlichen Perspektiven. Zudem wird eine fiktive, aber wissenschaftlich korrekte Geschichte rund um das Objekt erzählt. Anhand einer kunstvollen goldenen Schnalle aus dem Grab einer awarischen Frau erzählt deren Tochter zum Beispiel aus dem Leben ihrer Mutter.

Am Ende der Ausstellung können die Besucher einzelne Exponate noch einmal mit 3-D-Technik von allen Seiten betrachten. Ein digitales europäisches Projekt soll die Beziehung einzelner Exponate aus unterschiedlichen Regionen veranschaulichen. Dazu erscheint die Herkunft des Exponats auf einer Landkarte, und es können weitere Objekte aufgerufen werden, die damit in Beziehung stehen. Noch ist das alles etwas unübersichtlich und die Texte sind bislang recht knapp. Aber, sagt Altringer, es handele sich um ein Projekt im Wachstum, das auf den Stationen der Ausstellung in jeweils unterschiedlichen europäischen Städten weiterentwickelt werde. Eben Europa in Bewegung. Irgendwann soll das Projekt im Internet für jedermann zugänglich sein.

Das digitale Projekt und die Ausstellung sind Ergebnis einer internationalen Zusammenarbeit im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Projektes CEMEC (Connecting Early Medieval European Collections). Museen in Amsterdam, Athen, Bonn, Brüssel, Budapest, Dublin, Jaén und Rom sowie zahlreiche wissenschaftliche und technische Partner aus Belgien, Griechenland, Italien, Irland, den Niederlanden, Spanien, Ungarn und Deutschland haben daran mitgewirkt.