Pablo Picassos Bild "Gitarre und Zeitung" (1916) ist im Museum Berggruen seit dem 21. November auch von hinten zu sehen. Es ist die Perspektive der Wissenschaft: Drei Etiketten und zwei handschriftliche Verweise auf der Rückseite halfen Provenienzforschern, zu ermitteln, welchen Weg das Bild nahm, bis es 1971 beim Kunsthändler und Sammler Heinz Berggruen landete. "Jedes Werk erzählt auch die Geschichte seiner Eigentümer. An Provenienzketten lassen sich historische Ereignisse ablesen", sagt Sven Haase, Kurator der Ausstellung "Biografien der Bilder", die bis zum 19. Mai zu sehen ist und die Herkunft aller Exponate auflistet.

Mit "Biografien der Bilder. Provenienzen im Museum Berggruen. Picasso - Klee - Braque - Matisse" wird ein Forschungsprojekt in eine Ausstellung überführt. Von 2015 bis 2018 untersuchten Experten 135 Werke aus der früheren Privatsammlung Berggruens, die vor 1945 entstanden und sich heute im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz befinden, auf mögliche NS-Raubkunst. Es handelt sich um Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen von Pablo Picasso, Paul Klee, Henri Matisse, Georges Braque und Henri Laurens.

"Visuell hochattraktiv"

Wichtiges Ergebnis des Projektes: Ein eindeutig NS-verfolgungsbedingter Entzug eines Kunstwerkes, das nicht bereits Bestandteil eines abgeschlossenen Restitutionsverfahrens war, konnte nicht ermittelt werden, wie der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, am 20. November sagte. Bis zum Projektende konnte bei rund zwei Dritteln (83 Werke) ein NS-verfolgungsbedingter Verlust ausgeschlossen oder als höchst unwahrscheinlich eingestuft werden. Knapp ein Drittel (48) haben Provenienzlücken, doch nur bei vier Werken könnte tatsächlich ein verfolgungsbedingter Verlust vorliegen.

Der Direktor der Nationalgalerie, Udo Kittelmann, betonte, neben dem Anliegen, Forschung transparent zu machen, sei die Ausstellung "visuell hochattraktiv". Dazu wird Wissenschaft auch mit zeitgenössischer Kunst kombiniert: So thematisiert die Installation: "La loi normale des erreurs/Projet Picasso, version Berggruen" von Raphaël Denis die Enteignung von Kunstwerken durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg im besetzten Frankreich. Denis integrierte in seine Arbeit Werke aus dem Museum Berggruen, die von den Nazis beschlagnahmt worden waren und nach dem Krieg restituiert wurden - etwa Picassos "Sitzender Akt, sich den Fuß trocknend" (1921).

Mühsame Puzzlearbeit

Provenienzforschung ist derweil mühsame Puzzlearbeit, wie Kuratorin Doris Kachel erläuterte. Da alle untersuchten Werke aus der Privatsammlung Berggruens stammten, gab es nicht wie im Museum üblich ein Inventarbuch mit einzelnen Erwerbsdokumentationen, um mögliche Vorbesitzer zu bestimmen. Die Familie Berggruen gewährte jedoch Einblick in Karteikarten des Sammlers. Demnach kaufte dieser die meisten Werke nach 1980, vor allem in internationalen Auktionshäusern, aber auch in Galerien und Kunstsammlungen. Bei der intensiven Sichtung der wichtigen Rückseiten halfen Restauratoren und Sicherheitstechnik.

Die Resultate der vergangenen drei Jahre sind nun in acht Kapitel beziehungsweise Räume aufgeteilt: Kunsthändler und Sammler, Der NS-Kunstraub in Frankreich, Was ist Provenienzforschung, Daniel-Henry Kahnweiler, Raphael Denis, Picassos Umfeld, Picasso und Klee in den USA sowie Afrikanische Werke. Alle erforschten Kunstwerke erhielten Objektschilder mit Provenienzketten.

Seit Verabschiedung der Washingtoner Erklärung vor 20 Jahren überprüfen Museen zunehmend ihre Bestände auf NS-Raubkunst. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz restituierte bereits rund 350 Kunstwerke an die rechtmäßigen Eigentümer.