Die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Annette Kurschus, kritisiert den Widerstand in Deutschland gegen den Migrationspakt der Vereinten Nationen. "Wenn der UN-Migrationspakt scheitern würde, wäre das ein Armutszeugnis für die Menschheit", sagte Kurschus am 20. November dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bielefeld. Dieser Vertrag für eine sichere und geordnete Migration sei der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich verständigen könne: "Die Regelungen kann eigentlich jeder unterzeichnen. Ein Boykott wäre ein verheerendes Signal."

Der völkerrechtlich nicht bindende "Vertrag für sichere, geordnete und geregelte Migration" der UN hat zum Ziel, Migration besser zu organisieren. Er gibt 23 Ziele vor, enthalten sind auch Maßnahmen zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Deutschland ist einer der mehr als 180 Staaten, die das Abkommen annehmen wollen. Massive Kritik vor allem von der AfD, die eine wachsende Zahl von Migranten befürchtet, hatte eine Debatte über das Abkommen entfacht. Inzwischen ist der Vertrag auch in den Unionsparteien umstritten.

Kurschus kritisierte das "Störfeuer in der deutschen Flüchtlingspolitik" als selbstbezogen. Es gehe nicht um die Sachthemen oder eine politische Grundorientierung, sondern darum, auf sich selbst aufmerksam zu machen, sagte die leitende Geistliche der westfälischen Landeskirche: "Die Leute werben dafür, dass sie gewählt werden."

Kritik an neuer Abschiebe-Diskussion

Als "selbstorientiert" bewertet die 55-jährige Theologin auch die politische Debatte über Abschiebungen: "Es geht weniger um den Schutz der Bürger als darum, eigene Macht zu demonstrieren." Die aktuelle Abschiebepolitik habe "die Flüchtlinge als Menschen nicht im Blick", sagte Kurschus. Das Bundesinnenministerium erwägt Medienberichten zufolge, Abschiebungen zu erleichtern.

Die seit August geltende Verschärfung des Kirchenasyls sollte nach Ansicht der westfälischen Präses zurückgenommen werden. Es sei "unzumutbar, dass beispielsweise die Entscheidungsfrist derartig verlängert wird". Damit würden die Menschen in einem sehr langen Zustand der Ungewissheit gelassen. Das sei "ein Versuch, Kirchenasyl einzuschränken".

Beim Kirchenasyl stelle die Kirche nicht ein eigenes Gesetz gegen Recht und Gesetz, betonte die EKD-Ratsvize: "Wir sind es von unserem kirchlichen Auftrag her den Menschen schuldig, dass wir alles versuchen, ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen." Die meisten Kirchenasyle endeten mit einem Bleiberecht. "Das zeigt, dass eine erneute Prüfung durchaus berechtigt war".

Nach einem Beschluss der Innenministerkonferenz kann seit August die oftmals maßgebliche Frist von 6 auf 18 Monate erhöht werden, wenn Kirchengemeinden nach Ansicht des Bundesamts Verfahrensabsprachen nicht einhalten. Das betrifft sogenannte Dublin-Fälle, in denen ein anderer EU-Staat zuständig ist. Die Frist von sechs Monaten wird durch das Kirchenasyl oftmals überschritten. Eine Frist von 18 Monaten würde vielen Gemeinden die Versorgung Schutzsuchender erheblich erschweren.