Frankfurt a.M. (epd). Ende des 18. Jahrhunderts wurde die erste muslimische Grabstätte in Berlin eingerichtet: Der Gesandte des Osmanischen Reiches, der Dichter Ali Aziz Efendi, war 1798 unerwartet gestorben. Zwar wird der überwiegende Teil der in Deutschland verstorbenen Muslime heute in ihren Heimatländern beigesetzt. Bestatter beobachten jedoch eine Trendwende: Immer mehr Muslime wünschen sich Deutschland als ihre letzte Ruhestätte.
Nach Mekka ausgerichtete Grabfelder für die Bestattung von Muslimen gibt es in deutschen Kommunen zum Teil schon seit Jahrzehnten: zum Beispiel in Frankfurt am Main, Köln, Essen, Dresden, Freiburg, Stuttgart oder München. Islamwissenschaftlern zufolge soll es schon mehr als 500 muslimische Grabfelder in Deutschland geben. Auch durch die Aufnahme von Flüchtlingen muslimischen Glaubens wird sich der Bedarf an entsprechenden Bestattungsplätzen künftig wohl erhöhen.
"Bestattungskultur ist Spiegel der Gesellschaft"
Aeternitas, die Verbraucherinitiative für Bestattungskultur in Königswinter bei Bonn, nennt in einer nicht repräsentativen Erhebung Zahlen. Danach gab es allein in Berlin im Jahr 2006 rund 170 muslimische Bestattungen, zehn Jahre später waren es etwa 330. In Hamburg wurden 1995 insgesamt 65 Menschen nach islamischem Ritus beigesetzt, im vergangenen Jahr waren dies bereits 308. In Frankfurt am Main stieg die Anzahl muslimischer Bestattungen von 104 im Jahr 2015 auf 124 im Jahr 2017. Andere Zahlen liegen nicht vor, da muslimische Bestattungen an offizieller Stelle statistisch nicht erhoben werden.
"Schon Aufgrund der demografischen Entwicklung nehmen die islamischen Bestattungen in Deutschland zu", sagt der Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter, Stephan Neuser, in Düsseldorf im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aktuell sei es jedoch immer noch so, dass der überwiegende Teil der verstorbenen Muslime in die Heimatländer, beziehungsweise in die Heimat der Eltern überführt und dort beigesetzt werde.
Es zeige sich, dass die erste Generation türkischer Mitbürger fast immer eine Rückführung in die Türkei bevorzuge, sagt Neuser: "Die Menschen haben oft eine Versicherung abgeschlossen, vom türkischen Staat subventioniert, die eine Rückführung beinhaltet." In der nächsten Generation sei das anders. Von diesen möchten zunehmend mehr in Deutschland bestattet werden. "Das ist gut so, denn die Bestattungskultur ist ein Spiegel der Gesellschaft."
Es gibt einige Besonderheiten bei einer islamischen Bestattung: Unter anderem sollte zwischen Tod und Begräbnis nicht mehr als ein Tag vergehen - in Deutschland dagegen sind in der Regel mindestens 48 Stunden vorgeschrieben. Traditionell werden Muslime in Tücher gewickelt beigesetzt. Eine Feuerbestattung ist ihnen verboten.
Mehr muslimische Bestatter
"Bestattungsrecht ist Länderrecht", unterstreicht Neuser: "Einige Bundesländer haben in den letzten Jahren die Bestattungsgesetze novelliert. Friedhofsträger vor Ort haben seither die Möglichkeit, die Sargpflicht unter bestimmten Voraussetzungen zu lockern." Eine Bestattung im Leinentuch sei zudem keine zwingend vorgegebene oder durch religiöse Vorschriften vorgeschriebene Beisetzungsart. Eine nicht unerhebliche Zahl muslimischer Verstorbener entscheide sich in Deutschland zu Lebzeiten für eine Sargbestattung.
"Meines Wissens nach wird die sarglose Bestattung vergleichsweise gering angefragt", sagt der an der Frankfurter Goethe-Uni forschende Islamwissenschaftler Erdogan Karakaya. Vielen Bürgern muslimischen Glaubens sei dieses Angebot nicht bekannt. Zudem pflegten viele Menschen einen pragmatischen Umgang mit diesem Thema und ließen sich in einem einfachen Sarg bestatten.
In den letzten Jahren sei zudem die Zahl der muslimischen Bestatter gestiegen, sagt Karakaya. Zum einen haben Islamische Verbände wie Ditib oder die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs eigene Bestattungsunternehmen. Daneben gebe es große Bestatter, die eigene islamische Abteilungen gegründet haben, in denen Muslime tätig sind. Dass immer mehr Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland bestattet werden, bilanziert der Islamwissenschaftler Karakaya, liege auch daran, "dass viele aus der ersten und zweiten Generation der Migranten verstehen, dass ihre Familien weiterhin in Deutschland leben werden".