Kirchentagspräsident Hans Leyendecker sieht keine Alternative zur Entscheidung, AfD-Funktionäre von Podien und Diskussionen auf dem kommenden Kirchentag in Dortmund auszuschließen. "Es wäre doch auch niemand auf die Idee gekommen, NPD-Leute oder Republikaner einzuladen", sagte Leyendecker dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bielefeld. "Ich glaube, dass die Zeit der Alibis, der Taktiererei, der ewigen Frage, ob man die Partei zum Märtyrer macht, vorbei ist. Hier muss man Zeichen setzen." Die Opferrolle nutze sich ab.

Die AfD habe sich seit 2017 noch weiter nach rechts entwickelt und es gebe eine "offene Hinwendung zum Nationalsozialismus", sagte der Journalist Leyendecker. "Da sind nicht nur die Bilder aus Chemnitz, wo rechtes Gesindel Seite an Seite mit AfD-Funktionären marschiert." Es gebe auch eine Verpflichtung gegenüber der Kirchentagsbewegung: "Der Kirchentag ist gegründet worden, weil die Kirchen im Kampf gegen die Nazis versagt hatten." Der Kirchentag habe zu allen Zeiten Zeichen gesetzt, etwa als es in den 80er Jahren um den Nato-Nachrüstungsbeschluss ging. Nun sei ein Zeichen gegenüber der AfD nötig.

Funktionäre der Partei könnten beim 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag vom 19. bis 23. Juni "an Gottesdiensten teilnehmen oder bei einer Bibelarbeit dabei sein, wo immer sie wollen, sie kommen aber nicht auf Podien", betonte Leyendecker. Anders sei es mit Anhängern und Wählern: Sie sollten in Foren zu Wort kommen und über ihre Situation und ihre Probleme sprechen. Viele Menschen hätten heute das Gefühl, sie seien mit ihren Sorgen um den Arbeitsplatz, die Rente oder die Wohnung allein, ihnen höre niemand zu und sie würden nicht verstanden.

"Wir haben tiefe Gräben in der Gesellschaft, über die wir hinwegkommen müssen", unterstrich der Kirchentagspräsident. Von dem Protestantentreffen in Dortmund erhoffe er sich Impulse, "dass wir einander wieder zuhören". In unterschiedlichen Bereichen seien Menschen heute "in ihrer Filterblase und ihrer Echokammer oder bleiben sich selbst genug".

In Dortmund spürt Leyendecker bereits jetzt ein großes Interesse und Engagement für den Kirchentag. Das gelte beispielsweise für die Suche nach Privatquartieren, die offiziell erst im Januar anlaufen soll. Nicht nur im Blick auf die Gastfreundschaft finde der Kirchentag in Dortmund "Hilfe, die ungewöhnlich ist", sagte der Präsident des Kirchentages und nannte unter anderem die Stadtverwaltung und den Fußballverein Borussia Dortmund.

Die Stadt habe viele Wandlungen erlebt und sei mit großen Schwierigkeiten wie dem Verlust von Kohle und Stahl fertig geworden, erklärte Leyendecker. Heute sei Dortmund eine ganz andere Stadt als vor zehn Jahren. "Ich glaube, Dortmund wird den Kirchentag verändern und der Kirchentag Dortmund."