Frankfurt a.M. (epd). Nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Hanau betont der Direktor der Beratungs- und Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, Meron Mendel, dass auch Einzeltäter in einem politischen Diskursraum handeln. Menschenfeindliche Einstellungen von AfD-Politikern, die in Parlamente und Talkshows getragen werden, könnten dazu ermutigen, Hass in Gewalt umzusetzen, sagte Mendel in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag in Frankfurt. "Das bestärkt Gewalttäter, auch wenn sie alleine handeln, in ihrem Tun", sagte Mendel.
epd: Wo sehen Sie die Wurzeln des Terroranschlags in Hanau?
Mendel: Nach allem, was wir heute wissen, hat der Täter von Hanau aus rassistischen Motiven Menschen ermordet, die nicht in das menschenverachtende Weltbild weißer Überlegenheitsfantasien passen. Rassistische, antisemitische und andere menschenfeindliche Einstellungen sind in allen Teilen der Gesellschaft verankert. Dass extrem rechte und faschistische Politiker der AfD sie in die Parlamente und Talkshows tragen, das trägt dazu bei, dass Menschen sich ermutigt fühlen, ihren Hass in Gewalt umzusetzen.
epd: Ist die Vermutung, es handele sich um einen Einzeltäter, glaubhaft?
Mendel: Inwiefern der Täter von Hanau in rechte Netzwerke verstrickt war, werden die Ermittlungen zeigen. Mir ist es aber wichtig zu betonen, dass auch sogenannte Einzeltäter immer in einem politischen Diskursraum handeln – und der hat sich in den letzten Jahren weit nach rechts verschoben. Das bestärkt Gewalttäter, auch wenn sie alleine handeln, in ihrem Tun. Dazu kommt: Wer das Manifest des Täters liest, sieht in seinem rassistischen, antisemitischen und auch frauenverachtenden Hass klare Parallelen zur Ideologie anderer rechter Terroristen, etwa jener, die in Halle oder Christchurch mordeten.
epd: Hat es Versäumnisse bei Politik und Verfassungsschutz gegeben?
Mendel: Wir können noch nicht beurteilen, inwiefern es im konkreten Fall Versäumnisse gegeben hat, etwa beim Erteilen des Waffenscheins. Ganz klar hat es aber strukturelle Versäumnisse gegeben bei der Bekämpfung rechten Terrors. Bei der Aufklärung der NSU-Morde etwa wurde die Chance versäumt, konsequent die Netzwerke aufzudecken, auf die die Mörder sich stützen konnten. Die Morde von Hanau können uns, so sehr sie uns bestürzen, nicht überraschen, weil sie in einer Kontinuität zahlreicher extrem rechter Gewalttaten alleine im vergangenen Jahr stehen.