Karlsruhe (epd). Emotional und kontrovers wurde im vergangenen April vor dem Bundesverfassungsgericht das gesetzliche Verbot der organisierten Sterbehilfe diskutiert. Vor dem höchsten deutschen Gericht in Karlsruhe klagen schwer erkrankte Menschen, Sterbehilfe-Vereine und Ärzte. Sie sehen durch das Verbot der Suizidhilfe ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht oder ihre Berufsfreiheit verletzt. Am 26. Februar verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zu sechs Verfassungsbeschwerden (AZ: 2 BvR 2347/15 und weitere). Zwei der vier Kläger sind laut Medienberichten inzwischen gestorben.
Aktuelle Strafrechtsnorm
Dabei wird es aber nicht um eine moralische oder politische Beurteilung der Selbsttötung am Lebensende gehen. Das Gericht entscheide ausschließlich über die Verfassungsmäßigkeit einer konkreten Strafrechtsnorm, hatte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bereits in der mündlichen Verhandlung am Bundesverfassungsgericht am 16. und 17. April 2019 betont. Das hochbrisante Thema sei mit existenziellen ethischen, moralischen und religiösen Überzeugungen verknüpft.
Konkret geht es um den Paragrafen 217 des Strafgesetzbuches, der seit Dezember 2015 die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" unter Strafe stellt. Verstöße werden mit einer Geldstrafe oder einer bis zu dreijährigen Haftstrafe geahndet. Nur wer bei einer Suizidassistenz nicht "geschäftsmäßig" handelt, bleibt straffrei. Dazu gehören etwa Angehörige oder andere Nahestehende.
"Recht auf Leben begründet keine Pflicht zum Leben"
Die Beschwerdeführer rügten in der mündlichen Verhandlung, dass ihnen durch die Regelung etwa die Überlassung eines tödlich wirkenden Mittels verwehrt werde. Denn sowohl Ärzte als auch Sterbehilfe-Vereine handelten bei einer Suizidassistenz "geschäftsmäßig". Das im Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse aber auch das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben.
Die Sterbehilfe-Vereine kritisierten, dass sie nach den gesetzlichen Vorschriften nicht mehr für ihre Mitglieder tätig werden könnten. Auch die beschwerdeführenden Ärzte beanstandeten, dass ihre Gewissens- und Berufsfreiheit mit dem Verbot der geschäftsmäßigen Sterbeassistenz verletzt werde. "Das Recht auf Leben begründet keine Pflicht zum Leben", hieß es. Die Hilfe zum Suizid sei sicher nicht eine ärztliche Aufgabe, ergänzte der Ehrenpräsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Ulrich Clever: "Aber es ist sicher auch nicht Aufgabe des Arztes, sich im Einzelfall wegzuducken."
Dagegen hatten Psychiater, Ärzte und Hospizmitarbeiter darauf hingewiesen, dass Schwerstkranke, die palliativmedizinisch betreut werden, selten den Wunsch nach einem unterstütztem Suizid äußern. Vielmehr sei die Suizidalität Ausdruck einer erheblichen Notlage und gekennzeichnet durch Ambivalenz sowie Hoffnungs- und Hilflosigkeit.
Im vergangenen Jahr wurden beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte insgesamt 133 Anträge für eine Erlaubnis zum Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung gestellt. Das Bundesgesundheitsministerium hatte die Behörde angewiesen, keine Anträge positiv zu bescheiden, nachdem das Bundesverwaltungsgericht 2017 eigentlich geurteilt hatte, dass das Institut die Anliegen prüfen muss. Wie diese rechtliche Zwickmühle gelöst wird, hängt auch vom Karlsruher Urteil in der kommenden Woche ab.