Bremerhaven (epd). Die globale Erwärmung hat nach einer Studie von Klimaforschenden des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) die eisige Mitte Grönlands erreicht. Die Erwärmung in Nord- und Zentral-Grönland sei in Zeitreihen aus Eisbohrkernen überraschend deutlich sichtbar, teilte das Institut am 18. Januar mit. „Das haben wir angesichts der globalen Erwärmung zwar befürchtet, aber die Eindeutigkeit und Prägnanz ist unerwartet“, sagte AWI-Forscherin Maria Hörhold, die Erstautorin der Studie.
Der letzte vermessene Zeitraum von 2001 bis 2011 sei der wärmste in den vergangenen 1.000 Jahren, hieß es. Die Region habe sich im Vergleich zum 20. Jahrhundert bereits um 1,5 Grad erwärmt.
Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom AWI sowie dem Niels-Bohr-Institut an der Universität Kopenhagen hat Hörhold Eiskerne analysiert, die unter Federführung der Bremerhavener Wissenschaftler in Nord- und Zentral-Grönland gebohrt wurden. Über die Ergebnisse ihrer Studie berichten die Glaziologin (Gletscherforscherin) und ihr Kollegen jetzt in der Fachzeitschrift „Nature“.
Der grönländische Eisschild spielt nach Informationen des AWI eine zentrale Rolle im globalen Klimasystem. Wegen des riesigen Volumens seines Eisschildes von rund drei Millionen Kubikkilometern gelte das Abschmelzen und der damit verbundene Anstieg des Meeresspiegels als potenzieller Kipppunkt. „Der Beitrag Grönlands zum Anstieg des Meeresspiegels bis zum Jahr 2100 wird für das Szenario von globalen Emissionsraten wie heute auf 50 Zentimeter geschätzt“, sagte Hörhold.
Eisschild mit eigener Dynamik
Der Einfluss des globalen Temperaturanstiegs auf die zentralen Höhenlagen des mehr als 3.000 Meter hohen Eisschildes sei aufgrund fehlender Langzeitbeobachtungen bisher unklar gewesen. Die Untersuchungen zeigten nun, dass die globale Erwärmung auf dem grönländischen Plateau angekommen sei. „Wir waren erstaunt, wie eng die Temperatur mitten auf dem Eisschild mit dem grönlandweiten Schmelzwasserabfluss zusammenhängt, der ja an den Küsten auftritt, also den Rändern des Eisschildes“, erläuterte die Gletscher-Expertin.
Eine weitere Erkenntnis der Studie ist, dass das Klima des grönländischen Eisschildes vom Rest der Arktis entkoppelt sei und seine ganz eigene Dynamik habe. Dementsprechend brauche es für die Arktis regionale Langzeituntersuchungen, um den Klimawandel zuverlässig zu beschreiben.