Marburg (epd). Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS Hessen) hat im Zusammenhang mit der documenta fifteen im vergangenen Jahr 38 antisemitische Vorfälle registriert. Das Dunkelfeld sei vermutlich wesentlich größer, berichteten Mitarbeiter der Meldestelle am 23. Februar bei einer Veranstaltung in der Jüdischen Gemeinde in Marburg. In den meisten Fällen habe es sich um einen Israel-bezogenen Antisemitismus gehandelt. Als Beispiel führten die Mitarbeiter eine Mail auf, in der es hieß, dass Juden „ihre Opferrolle“ instrumentalisierten, etwa um die documenta fifteen zu diskreditieren.

Bei der documenta fifteen hatten antisemitische Kunstwerke einen Eklat verursacht. Die Mehrheit habe einfach zugesehen, was in Kassel geschah, kritisierte die Projektleiterin von RIAS Hessen, Susanne Urban. Niemand habe „wirklich Verantwortung übernommen“. Urban sagte: „Es gibt ein Antisemitismus-Problem in Kunst und Kultur.“

„Aus dem Sommer der Kunst ist ein Sommer der Schande geworden“, sagte der Beauftragte der Hessischen Landesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Uwe Becker (CDU). Es müsse „schonungslos“ benannt werden, dass es in Deutschland möglich war, über Wochen antisemitische Kunstwerke zu zeigen und dass Warnungen im Vorfeld nicht ausreichend aufgenommen wurden.

„Andere Spielarten“ des Antisemitismus

Es sei bekannt, dass sich der Antisemitismus ständig verändere, erklärte der Direktor des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Hessen, Daniel Neumann. Heute gebe es nicht mehr den Antijudaismus des Mittelalters, sondern wir erlebten „andere Spielarten“, die sich vor allem auf Israel fokussierten: „Das haben wir bei der documenta fifteen erlebt.“

Eine Veröffentlichung der RIAS zur documenta fifteen trägt den Titel „Es wurde eine dunkelrote Linie überschritten“. Das Dokument steht auf der Website von RIAS Hessen zum Download zur Verfügung. Dort wird in wenigen Wochen außerdem ein Monitoring-Bericht mit genauen Zahlen und Analysen veröffentlicht.

RIAS Hessen ging im März vergangenen Jahres an den Start und ist beim Demokratiezentrum Hessen an der Philipps-Universität Marburg angesiedelt. Die Stelle nimmt Meldungen über antisemitische Angriffe, Bedrohungen und Beleidigungen entgegen.