Berlin (epd). Nach der umstrittenen "Bild"-Berichterstattung über eine wissenschaftliche Studie des Virologen Christian Drosten hat die Krankenkasse AOK angekündigt, vorerst nicht mehr in dem Boulevardblatt zu werben. Die "Bild" stelle derzeit kein geeignetes Umfeld für die eigene Imagekampagne "Für ein gesünderes Deutschland" dar, erklärte der AOK-Bundesverband am 27. Mai. Wie ein Sprecher dem epd bestätigte, betrifft der Werbe-Rückzieher nur die "Bild", nicht aber den Springer-Verlag insgesamt.
Der AOK-Geschäftsführer Markt & Produkte, Steve Plesker, hatte die "Bild"-Berichterstattung zunächst in dem sozialen Netzwerk LinkedIn scharf kritisiert und von einer "Schande" gesprochen. Das habe mit Journalismus nichts zu tun. Später löschte er jedoch den Post, weil es dabei um seine "persönliche Meinung" und nicht um eine "abgestimmte Unternehmensposition" gehandelt habe, wie er selbst mitteilte.
Kein Aufruf zum Boykott
"Die Berichterstattung in den Medien zur Corona-Krise und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen reicht von sehr differenzierten bis hin zu sehr einseitigen, ja polemischen Beiträgen. Beides mag seine Berechtigung haben, und es liegt mir fern, Einfluss auf Berichterstattung nehmen zu wollen", erklärte Plesker. Doch müssten sich werbetreibende Unternehmen mit der Frage beschäftigen, in welchen Umfeldern sie werblich in Erscheinung treten wollten. Eine "Brand Safety" - also das Ausspielen von Werbekampagnen auf einem markenkonformen und vertrauenswürdigem Umfeld - sei nicht mehr gegeben. Die größte deutsche Krankenkasse betonte zugleich, die Entscheidung sei nicht als Aufruf zum Boykott der "Bild"-Zeitung zu verstehen.
In dem Bericht über die noch nicht veröffentlichte Studie des Leiters der Berliner Charité hatte das Springer-Blatt andere Wissenschaftler mit Kritik an Drostens Arbeit zitiert. Die Forscher distanzierten sich später von den Zitaten, die aus ihrem wissenschaftlichen Zusammenhang gerissen worden seien. Drosten, der per E-Mail um eine Stellungnahme innerhalb einer Stunde gebeten worden war, veröffentlichte die Anfrage des "Bild"-Reporters auf Twitter - mit dem Hinweis, dass er sie als tendenziös empfinde und nicht beantworten werde.