Die westfälische Landeskirche hat die Entscheidung über den künftigen Standort ihrer Hochschule für Kirchenmusik vertagt. Die Kirchenleitung sei "zu der Frage gelangt", ob angesichts der aktuellen Pandemie-Entwicklung ein "Investitionsrisiko der geplanten Größenordnung" überhaupt getragen werden könne, teilte das Landeskirchenamt am 22. April in Bielefeld mit. Zuletzt hatte die westfälische Kirche einen Zusammenlegung der bisher örtlich getrennten Fachbereiche Klassik und Pop in einem Neubau in Bochum ins Auge gefasst - ostwestfälische Kirchenkreise hatten sich für eine Fusion am Traditionsstandort Herford starkgemacht.

Die Landeskirche arbeite daran, die Ausbildung von Kirchenmusikern "mit hoher Qualität zukunftssicher aufzustellen", hieß es in der Mitteilung weiter. Die westfälische Präses Annette Kurschus würdigte die Kirchenmusik in einer Stellungnahme als "Seele unseres kirchlichen Lebens". Man brauche gut ausgebildete Kirchenmusiker, die sich auf mehrere Sprachen der Musik verstünden. Hier wolle die westfälische Kirche "ein deutliches und starkes Zeichen setzen".

Kurschus erwartet "starkes Zeichen" für eine gute Ausbildung

Die Kirchenleitung hatte den Angaben zufolge verschiedene Alternativen der Kirchenmusikausbildung diskutiert. Darunter sei der mögliche Umzug der beiden Standorte Herford (Klassik) und Witten (Pop) nach Bochum gewesen, ebenso die Beibehaltung und Sanierung der bisherigen Standorte. Angesichts der "zukunftsweisenden Bedeutung" der Entscheidung wolle man sich zusätzliche Zeit nehmen, um die Chancen der verschiedenen Optionen und die finanziellen Risiken weiter zu prüfen. Die Kosten eines Neubaus auf dem Gelände der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum hatte die Landeskirche mit rund 16,5 Millionen Euro veranschlagt - die Sanierungskosten in Herford sollen nicht viel niedriger liegen.

Der Bochumer Superintendent Gerald Hagmann sprach sich für ein "mutiges Engagement der Landeskirche" für die kirchenmusikalische Ausbildung aus, insbesondere im Bereich der klassischen Musik. Dabei gehe es auch um die Zukunft des evangelischen Gottesdienstes und die "zentrale Rolle" der Kirchenmusik im gesamten kirchlichen Leben, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dennoch sei klar, dass alle Investitionen "gerade in der gegenwärtigen Zeit" gut überlegt und mit Augenmaß erfolgen müssten.

Der Herforder Superintendent Olaf Reinmuth wertete die Entscheidung als eine "Vorsichtsmaßnahme", die "gerade in unkalkulierbaren Pandemiezeiten" nötig sei. Mit einer Entscheidung für Bochum oder Herford wäre "ein hervorstechendes Bekenntnis zur kirchenmusikalischen Ausbildung verbunden gewesen", sagte Reinmuth dem epd. Man werde sehen müssen, wie groß die Bereitschaft zum finanziellen und organisatorischen Engagement in die Zukunft der Ausbildung sei. Offen ist nach Ansicht des Superintendenten auch, ob mit dem Aufschub "der mögliche Standort Herford wieder Boden in der Diskussion gewonnen hat".

Die Hochschule für Kirchenmusik bietet seit 1948 in Herford eine klassische Kirchenmusik-Ausbildung an. 2016 wurde ergänzend in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Pop-Akademie in Witten der neue Studiengang "Kirchenmusik Popular" in Witten eingeführt. Mit den beiden Studiengängen bietet die Hochschule nach eigenen Angaben bundesweit das derzeit größte Studienangebot der evangelischen Kirchenmusik an. Rund 60 Studierende sind aktuell eingeschrieben.