Die evangelische Frauenarbeit ist nach Ansicht der Theologieprofessorin Dorothea Wendebourg auf EKD-Ebene nicht länger notwendig. "Sie ist entbehrlich", sagte Wendebourg im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wenn es darum geht, Frauen noch stärker zur Geltung zu bringen, brauchen wir die Frauenarbeit nicht mehr. Da haben wir eigentlich schon alles erobert." In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) soll das Evangelische Zentrum für Frauen und Männer in Hannover, in dem die Frauenarbeit verortet ist, demnächst fast komplett eingespart werden.

Bei Gleichberechtigung viel erreicht

"Es gab Zeiten, da war die Frauenarbeit wichtig. Frauen hatten keinen Zugang zu Ämtern, waren mit Rollenklischees konfrontiert", sagte Wendebourg. "Das ist heute nicht mehr der Fall." Dass für die Gleichberechtigung viel erreicht worden sei, zeige sich etwa in der großen Zahl der Theologiestudentinnen, wogegen die der männlichen Studenten zurückgehe, so die Kirchenhistorikerin, die bis 2017 einen Lehrstuhl an der Berliner Humboldt-Universität innehatte. Es bräuchte eher eine Forcierung der Männerarbeit. Zumal auch Kirchengänger schon immer mehrheitlich Frauen und weniger Männer seien.

Kritisch sieht Wendebourg, dass sich der Fokus der Frauenarbeit auf die Genderfrage verengt habe. Das Gender-Programm müsse sich die Frauenarbeit nicht zu eigen machen, es mache die Frauenfrage letztlich bedeutungslos, sagte die Kirchenhistorikerin. Sie bezog sich damit auf die den Gender-Maßnahmen zugrunde liegende Theorie der US-amerikanischen Philosophin Judith Butler, die Geschlechter durch sozial-kulturelle Zuschreibungen definiert sieht und letztlich die Auflösung der Zweigeschlechtlichkeit anstrebt.

"Funktioniert an der Basis"

"Gender und Gendersprache sind Anliegen einer kleinen Gruppe, die das pusht", sagte Wendebourg. "Die große Zahl der Frauen in der Kirche interessiert das überhaupt nicht." Hinzu komme, dass Themen wie das Single-Sein oder ein künftiges Transgender-Gesetz, denen sich die Frauenarbeit widmet, "nicht frauenspezifisch" seien. "Hier hört die Frauenarbeit auf, Frauenarbeit zu sein", sagte die Theologin: "Ich verstehe nicht, dass ein Feminismus, der eigentlich unterbewerteten Frauen helfen will, das alles Huckepack nimmt." Es sei eine Illusion zu glauben, dass die Gesellschaft durch Gendersprache und -Programme verändert werden könnte.

Ort klassischer Frauenarbeit seien eher Diakonie und Gemeinde, sagte Theologin, die auch zeitweilig lutherische Vorsitzende der Theologischen Kammer der EKD war: "Frauenhilfe an der Basis, das funktioniert. Vor Ort kann die Frauenarbeit ad hoc besser reagieren - sich etwa um Einsame kümmern und bei Überforderung helfen."

Das Zentrum Frauen und Männer wird von den Evangelischen Frauen in Deutschland e.V. (EFiD) und der Männerarbeit der EKD getragen. Es wird fast vollständig von der EKD finanziert. Dem Frauen-Dachverband gehören 40 Verbände mit rund drei Millionen Protestantinnen an.