Die evangelischen Kirchen und die Diakonie in Nordrhein-Westfalen appellieren in der Corona-Pandemie an die Landesregierung, die Besuchsvorschriften in Alten- und Pflegeheimen an die Lage vor Ort anzupassen. Der Pflegeverband VDAB forderte Einschränkungen bei den Besuchen. Mit den neuen Besuchsregelungen werde das Leben der Bewohner aufs Spiel gesetzt. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (beide CDU) warnten hingegen vor sozialer Isolation der Menschen in Heimen. Laumann kündigte personelle Unterstützung für Besucher-Schnelltests in Pflegeheimen an.

Besonders rund um Weihnachten sei der Kontakt der Bewohner zu ihren Familien wichtig, erklärte der Vizepräses der rheinischen Kirche, Christoph Pistorius, am 23. Dezember in Düsseldorf. Jeder Besuch stelle jedoch auch ein Infektionsrisiko für andere Bewohner, das Personal und die eigenen Angehörigen dar. Deshalb sollten Besuche "maßvoll und zurückhaltend" erfolgen.

Hoher organisatorischer Aufwand bei angespannter Personalsituation

Aktuell dürfen laut den Verordnungen die Bewohner der etwa 2.300 Alten- und Pflegeheime in NRW pro Tag zwei Besuche durch jeweils maximal zwei Personen erhalten. Die Angehörigen haben Anspruch auf mindestens eine Stunde Besuchszeit, nachdem ein "Kurzscreening" mit Fiebermessung durchgeführt wurde. Sie müssen FFP2-Masken tragen und einen Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten.

"All das sind sinnvolle Maßnahmen, aber wir befürchten, dass sie in der derzeitigen dramatischen Situation nicht ausreichen, um die alten und kranken Menschen zu schützen", sagte der Theologische Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Westfalen, Ulf Schlüter, in Bielefeld. "Darüber hinaus stelle der hohe organisatorische Aufwand in der stark angespannten Personalsituation vor Ort eine enorme Herausforderung dar. "Die Alten- und Pflegeheime brauchen mehr Freiheit, selbst über die Anzahl der Besuche zu entscheiden", mahnte Schlüter.

An die Angehörigen appellierten die Kirchenvertreter gemeinsam mit dem Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe, ihre Besuche gut abzuwägen. "Halten Sie bei der Planung Ihrer Weihnachtsbesuche enge Rücksprache mit den Einrichtungen", riet Diakonie-Vorstand Thomas Oelkers. "Unsere Pflegekräfte sind schon jetzt am Ende ihrer Kraft, denn zusätzlich zur täglichen Pflege lenken, testen und begleiten sie die Besucherströme."

Alten- und Behindertenhilfe schlägt Alarm

Auch der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe schlug Alarm. Wenn auch Besucher ohne Corona-Test zugelassen seien, werde das Leben der Bewohner aufs Spiel gesetzt, kritisierte der Vorsitzende des Landesverbands Nordrhein-Westfalen, Bernd Uhlenbruch. Angesichts steigender Inzidenzzahlen sei das "ein Freifahrtschein für das Coronavirus direkt hinein in die Einrichtungen". Eine solche Umsetzung sei für jede gewissenhafte Einrichtungsleitung unverantwortlich. Die komplette Abschottung einer Einrichtung müsse die absolute Ausnahme bleiben. Bereits jetzt seien jedoch viele Einrichtungen mit den Besuchs- und Testregeln am Limit.

Gesundheitsminister Laumann erklärte, dass sich viele Menschen zu Weihnachten danach sehnten, Familie und Freunde zu sehen. "Die Corona-Pandemie ist besonders für die Pflegeeinrichtungen eine ganz besonders schwierige Ausnahmesituation", sagte Laumann am 23. Dezember. Auch über Weihnachten habe der Infektionsschutz oberste Priorität, unterstrich er. Besuchsverbote bedeuteten jedoch eine soziale Isolierung von Menschen, die im hohen Alter ganz besonders auf soziale Kontakte angewiesen seien. Laumann kündigte für die Feiertage eine personelle Unterstützung für die Pflegeeinrichtungen an: Hilfsorganisationen sollen bei den Schnelltests für Besuchern helfen.

Auch Ministerpräsident Laschet warnte vor den Folgen von Kontaktsperren: "Menschen in Heimen sterben nicht nur am Virus", sagte Laschet dem Magazin "Spiegel". Einige würden auch sterben, weil "sie den Lebensmut verloren haben, sie sterben aus Einsamkeit."