NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) dringt bei Corona-Verdachtsfällen in Familien auf "lebensnahe Lösungen", bei denen Eltern mit den Kindern zusammenbleiben sollten. Das werde er gegenüber den Gesundheitsämtern klarstellen und diese zudem nachdrücklich bitten, Maßnahmen, die nur Verunsicherung schürten, grundsätzlich nicht weiter anzudrohen, sagte Laumann am 27. August dem Evangelischen Pressedienst (epd). In der letzten Woche war auch in einigen Kreisen in Nordrhein-Westfalen ein Musterschreiben versendet worden, das Zwangsmaßnahmen bis hin zu Isolationsmaßnahmen androhte, wie das Gesundheitsministerium bestätigte.

"Ich kann mir keine Situation vorstellen, in denen allein ein Verstoß gegen Quarantäneregeln eine Herausnahme aus der Familie rechtfertigen könnte", unterstrich Laumann. Wenn in Nordrhein-Westfalen wegen eines Corona-Verdachtsfalls ein Kind in Quarantäne oder bei Erkrankung in Isolation müsse, sei es auf Aufgabe der Gesundheitsämter, lebensnahe Lösungen zu finden, die den Gesundheitsschutz gewährleisten. "Das bedeutet für mich: Lösungen, in denen Eltern und Kinder zusammenbleiben sollten." Dem Gesundheitsministerium seien keine Fälle bekannt, in denen Kinder wegen einer Quarantänemaßnahme aus Familien herausgenommen oder Zwangsmittel angewendet worden wären.

Kritik an Drohschreiben von Gesundheitsämtern

Auch NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) erklärte: "Die Androhung von Inobhutnahmen im Zusammenhang mit Quarantäne führen zu Misstrauen und sind zu unterlassen." Die Familien in Nordrhein-Westfalen hätten in den letzten Monaten besonders unter der Corona-Pandemie gelitten, sagte er dem epd. "Gerade deshalb sollten sämtliche Behörden bei der Umsetzung erforderlicher Maßnahmen sensibel agieren statt diese zu verunsichern."

Die Schreiben von Gesundheitsämtern, die Zwangsmaßnahmen bis hin zu Isolationsmaßnahmen androhten, hätten verständlicherweise bei vielen Bürgerinnen und Bürgern zu Irritationen geführt, erklärte das Gesundheitsministerium. Deshalb seien daraufhin alle Gesundheitsämter in NRW gebeten worden, beim Versand von Standardschreiben Rücksicht auf die besonderen Umstände von Kindern und Jugendlichen bei Quarantänevorgaben zu nehmen. Das Ministerium werde gegenüber den Gesundheitsämtern klarstellen, "dass ein Kindesentzug allein aufgrund von Verstößen gegen Quarantäneregeln nicht infrage kommt", hieß es.

Nach einem Bericht der Bielefelder "Neuen Westfälischen" (27. August) war Eltern unter anderem in Bielefeld, dem Kreis Herford sowie im Märkischen Kreis im Sauerland in den vergangenen Tagen von den Gesundheitsämtern mitgeteilt worden, dass bei Verstößen gegen die Quarantäne-Anordnungen ein Kindesentzug drohe. Schreiben mit der Androhung von Kindesentzug sollen auch Gesundheitsämter in Niedersachsen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg verschickt haben.