Tanzende Männchen und fliegende Untertassen, ganze Labyrinthe aus farbigen Figuren und grafischen Mustern - Keith Harings Bilder sind unverwechselbar. Die an Graffitis, Pop Art oder Comics erinnernden Motive wirken dynamisch und unbekümmert, vielfach wollte der US-amerikanische Künstler damit aber auch politische Aussagen transportieren. Das Museum Folkwang in Essen widmet ihm seit dem 21. August eine Retrospektive.

Bis zum 29. November sind rund 200 großformatige Gemälde, Zeichnungen, Plakate, Fotografien und Videos zu sehen, die das gesellschaftliche und politische Engagement von Keith Haring (1958-1990) widerspiegeln. Die Ausstellung zeige ihn nicht nur als Künstler, sondern auch als Performer, Aktivisten und Netzwerker, erklärte Museumsdirektor Peter Gorschlüter. Mit seinen Werken habe Haring immer wieder auf drängende Themen seiner Zeit wie Rassismus, Homophobie, Drogensucht, Umweltzerstörung oder Kapitalismus reagiert und universellen Erfahrungen wie Geburt, Tod, Liebe oder Gewalt Ausdruck verliehen. "Seine Werke und Aussagen sind heute so aktuell wie zur Zeit ihrer Entstehung", sagte Gorschlüter.

Comic und chinesische Kalligraphie

Haring, 1958 in Reading im US-Staat Pennsylvania geboren, studierte zunächst zwei Semester Werbegrafik in Pittsburgh, bevor er nach New York ging. Dort entstanden ab 1980 erste Arbeiten im öffentlichen Raum auf Gehwegen oder in U-Bahn-Gängen, unter anderem von der Graffiti-Kunst inspirierte Figuren wie das krabbelnde Baby oder der bellende Hund. Die Strichmännchenfiguren fielen mit ihrer witzig und provokant gestalteten Aussage auf, so dass sie schon bald zu bekannten Kunstwerken im öffentlichen Raum wurden.

Inspiration für diese ikonische Malweise mit klaren Linien und Flächen habe Haring nicht nur in Comics und Graffitis, sondern auch in der expressionistischen und zeitgenössischen Kunst sowie in chinesischer Kalligraphie gefunden, so die Ausstellungsmacher. Das begrenzte Figurenarsenal habe ein schnelles Arbeiten ermöglicht und zudem über eine hohe Wiedererkennbarkeit eine erhöhte Aufmerksamkeit erzielt.

Haring habe bewusst nicht nur die Grenzen der Leinwand, sondern auch der Kunstinstitutionen gesprengt, sagte Gorschlüter. "Kunst ist für alle und überall." Dabei habe sein expansiver Drang zur Kunst vor nichts Halt gemacht: "Motorhauben, Häuserfassaden, U-Bahn-Stationen, Mode, Alltagsprodukte, menschliche Körper und vieles mehr dienten ihm, um seine so fantasievollen wie politischen Botschaften in die Welt zu tragen." Als Teil der New Yorker Künstler-, Club- und Schwulenszene habe er nicht nur mit anderen Künstlern, sondern auch mit Größen aus Musik und Mode zusammengearbeitet.

Aids-Aktivist

In der Ausstellung zu sehen sind Videos mit Madonna oder dem Tänzer Bill T. Jones und Kleidungsstücke aus der "Witches"-Collection von Vivienne Westwood und Malcom McLaren, die Haring mitgestaltete. Außerdem zeigt das Museum erstmals die neu erworbene Serie "Apocalypse" aus zehn großformatigen Siebdrucken und zehn Texttafeln, die gemeinsam mit dem Beat-Autor William S. Burroughs entstand. In ungewöhnlichen Motiven wird das Thema des Weltuntergangs behandelt, das Haring mit seinem eigenen Leben und seiner Aidserkrankung verbindet. Dazu fügte er Motive aus verschiedenen Zeiten und Kulturen zusammen.

Ergänzt wird die Schau durch seltenes Archivmaterial wie Flugblätter, Manuskripte, Film- und Fotoaufnahmen, die das politische Engagement des Künstlers veranschaulichen. Unter anderem engagierte er sich mit seiner Kunst für die Enttabuisierung der Immunschwächekrankheit Aids, an der er 1990 selbst starb.

Parallel zur Keith-Haring-Schau zeigt das Museum Folkwang die Ausstellung "Rettet die Liebe! Internationale Plakate gegen Aids". In der HIV-Präventionsarbeit hätten Plakate von Anfang an eine zentrale Rolle gespielt, hieß es. Zu sehen sind rund 200 Plakate aus fünf Kontinenten, die den unterschiedlich Umgang mit HIV-Infektionen in den verschiedenen kulturellen und religiösen Gemeinschaften widerspiegeln. Aktivisten wie die New Yorker Gruppe Act Up um Keith Haring hätten dazu beigetragen, eine andere öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema zu erreichen.