Die Empörung über die Umwidmung der Istanbuler Hagia Sophia in eine Moschee ist nach wie vor groß. Die Evangelische Mittelost-Kommission rief die türkische Zivilgesellschaft am 17. Juli auf, sich für den Schutz religiöser Minderheiten im Land einzusetzen. Die von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan angeordnete Umwidmung sei ein "rückwärtsgewandter Schritt", der den christlich-islamischen Beziehungen weltweit großen Schaden zufüge. Der "aus politischem Kalkül getroffene Beschluss" sei ein Ausdruck der Intoleranz gegenüber dem Christentum, heißt es in einer in Hannover veröffentlichten Stellungnahme.

Auch der evangelische Theologe und Altbischof Wolfgang Huber sieht durch die Entscheidung den "Traum von einem friedlichen Zusammenleben der Religionen in der Türkei" am Ende. Die Politisierung des Islam durch Erdogan sei ein Rückschlag für die Türkei und für das Miteinander der Religionen, sagte Huber der Wochenzeitung "Zeit" (online).

"Bruch mit Rücksichtnahme auf christliche Tradition"

Weiter sagte Huber, der von 2003 bis 2009 an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) stand: "Was Erdogan tut, ist ein endgültiger Bruch mit der Rücksichtnahme auf die Jahrtausende alte christliche Tradition in der Region, für die er verantwortlich ist." Für diesen Bruch auch mit dem laizistischen Erbe des Republikgründers Atatürk habe Erdogan kein größeres Symbol als die Hagia Sophia finden können.

Vergangene Woche hatte das türkische Oberste Verwaltungsgericht entschieden, dass die Hagia Sophia wieder als Moschee genutzt werden darf. Daraufhin hatte Staatspräsident Erdogan bekanntgegeben, dass das erste muslimische Freitagsgebet in der Hagia Sophia am 24. Juli stattfinden soll. Auf die Hagia Sophia erheben Muslime und Christen gleichermaßen Anspruch. Denn der prägnante Kuppelbau, ein Wahrzeichen der Istanbuler Altstadt, wurde im Jahr 537 als Kirche geweiht. Danach war sie fast ein Jahrtausend lang die Hauptkirche des byzantinischen Reichs. Dort wurden auch die byzantinischen Kaiser gewählt. Als die Osmanen 1453 die Stadt eroberten, wurde sie zur Moschee umfunktioniert. 1935 wurde sie in ein Museum umgewandelt.

Die Evangelische Mittelost-Kommission bedauerte, dass die Hagia Sophia durch den Beschluss nun zu einem "Symbol der Kontroverse und Konfrontation" gemacht worden sei. Orthodoxe Christen seien durch diesen Schritt "tief verletzt" worden.

"Fanal"

Die gewaltsame Entwidmung durch die muslimischen Eroberer habe damals als Mittel gedient, die Herrschaft des Islam zu demonstrieren, sagte Huber. "Dass Atatürk darunter einen Schlussstrich gezogen und die christliche Ausgestaltung im Innern der Kathedrale wieder sichtbar gemacht hat, nicht nur museal, sondern so, dass man sie als Ort des Gottesdienstes wiedererkannte, war eine große Leistung."

Ihm gehe es nicht darum, eine Moschee abzulehnen oder den Laizismus der Kemalisten zu idealisieren, unterstrich der Theologe. Die Rückwandlung sei "ein Fanal", dessen Gefährlichkeit man nicht überschätzen könne. "Als Christ und Bischof betrübt mich zudem, dass diese Art von Religionspolitik das Vertrauen in den guten Lebenssinn jeglicher Religion beschädigt."