Die Insel Djerba im Südosten Tunesiens ist eine Wüstenlandschaft mit langen Stränden. Hier trafen der Legende nach die Gefährten des griechischen Helden Odysseus auf ein friedliches Volk und aßen vom süßen Lotos, wonach sie nicht wieder in ihre Heimat zurückwollten. Heute ist Djerba ein beliebtes Urlaubsziel, vor allem für Strandurlauber. "Aber wir finden, dass die Insel, die nur durch Strand und die Sonne bekannt ist, auch für ihre Kultur bekannt sein sollte", sagt Farhat Ben Tanfous vom "Verein zum Schutz der Insel Djerba", der gleichzeitig auch Hotelier ist.

Sieben typische und besonders gut erhaltene Orte hat der Verein der UN-Kulturorganisation Unesco vorgeschlagen: Denn Djerba möchte Weltkulturererbe werden. Im kommenden Jahr wird über den Antrag Tunesiens entschieden. Die frei stehenden weiß getünchten Gehöfte auf Djerba sind einzigartig. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein hatte jede Großfamilie ihren eigenen abgeschirmten Hof. Die Bewohner trafen sich nur zum Handel und zum Gottesdienst in den Siedlungen.

Neben der kleinen muslimischen Religionsgemeinschaft der Ibaditen leben auf der Insel auch Juden und Christen, auf Djerba steht eine der ältesten Synagogen der Welt. "Diese Schönheit, diese Harmonie möchten wir bewahren. Und gleichzeitig wollen wir den Ruf unserer Insel verbessern", sagt Farhat Ben Tanfous.

Halbmarathon und Graffiti

Mit mehr als neun Millionen Besuchern hatte Tunesien im vergangenen Jahr trotz der Thomas-Cook-Pleite einen Besucherrekord aufgestellt. Dieses Jahr hat die Corona-Pandemie den Tourismus stillgelegt. Auch bei Farhat Ben Tanfous sind zurzeit nur Langzeiturlauber und tunesische Gäste zu Besuch, wie er erzählt. Die Tourismusbranche hofft aber, doch noch ein paar Sommerurlauber anlocken zu können.

Auf Djerba war im vergangenen Sommer kein Bett frei. Eine Tendenz, die Ben Tanfous freut. "Aber wir glauben, dass wir unsere Insel als Reiseziel noch besser verkaufen können", sagt er.

Es tut sich einiges: Im Februar gab es zum zweiten Mal einen Halbmarathon, der auch Läufer und Läuferinnen aus Europa anlockte. Im Dorf Erriadh ist nicht nur die La-Ghriba-Synagoge zu besuchen, die älteste auf dem afrikanischen Kontinent, sondern auch das Projekt "Djerbahood" mit großformatigen Graffiti auf den Hauswänden des Dorfes. Seit 2019 laden Street-Art-Mosaike zu einer virtuellen Schatzsuche auf der Insel ein.

Sehenswürdigkeiten wie diese zeigt Anis Mchaya von der Fahrrad-Initiative "Solibikes" den Besuchern am liebsten bei einer Radtour. "Viele interessante Orte sind auf keiner Karte verzeichnet. Wir gehen rein in die Viertel abseits der Hauptstraßen und öffnen Türen", wirbt der 25-jährige Leiter des Fahrradverleihs, der von dem Verein "Djerba Insolite" getragen wird.

Die Radtouren führen über Wirtschaftswege durch Palmenhaine zu traditionellen Werkstätten von Teppichwebern und Korbflechtern, die das Kunsthandwerk der Insel bewahren. Mittagessen gibt es in der Nähe von Lehmöfen, in denen wie früher frisch duftendes Fladenbrot gebacken wird. Das Ziel: ein nachhaltiger Tourismus, bei dem die Gäste die Bräuche der Insel kennenlernen und mehr sehen als nur Hotel, Strand und die immer gleichen Souvenirs.

Engagement der Zivilgesellschaft

Houmt Souk - wörtlich übersetzt "Markt-Siedlung" - ist mit rund 65.000 Einwohnern der größte Ort der Insel. Auf dem Fischmarkt kann man sich aus dem frischen Fang Fisch oder Meeresfrüchte auswählen und in einem der vielen kleinen Restaurants daneben gleich grillen lassen. Einige Schritte weiter hat Sabrine Ben Abdallah einen winzigen Laden eröffnet, den sie "El Houch" genannt hat, wie die traditionellen Häuser auf Djerba heißen. In einem Seitensträßchen zwischen einer alten Karawanserei und einer Kirche verkauft sie handgemachte, tunesische Keramikskulpturen, Tücher und Schmuck von jungen Designern.

Hotelier und Kulturvereinsaktivist Farhat Ben Tanfous ist überzeugt, dass die Zivilgesellschaft viel dazu beiträgt, die Insel attraktiver zu machen und neue Entwicklungen anzustoßen. Auch der Unesco-Antrag wäre sonst nie zustande gekommen: "Wir meistern ganz viel gemeinsam."