Im Kreis Gütersloh wächst die Zahl nachgewiesener Corona-Infektionen von Menschen ohne direkten Bezug zu den Beschäftigten der Fleischfirma Tönnies weiter. Binnen sieben Tagen vom 21. bis 27. Juni habe sich die Zahl dieser Fälle auf 107 erhöht, teilte der Kreis am 28. Juni mit. Das sind 32 mehr als für den Vergleichszeitraum am Tag davor (20. bis 26. Juni). Die Mehrzahl der Betroffenen in Gütersloh zeige keine Krankheitssymptome und es sei auch nach wie vor kein Anstieg der Zahl von Erkrankungen zu verzeichnen, erklärte der Kreis in Abstimmung mit dem Robert Koch-Institut (RKI). Die Opposition im NRW-Landtag fordert eine umfangreichere Test-Strategie. Die Kinder- und Jugendärzte kritisierten die ausfallenden Einschulungsuntersuchungen.

Die Opposition im NRW-Landtag forderte von der Landesregierung, in Nordrhein-Westfalen flächendeckende Tests wie in Bayern einzuführen. "Die jüngste Entwicklung im Kreis Gütersloh zeigt, dass es neben allen Sicherheitsvorkehrungen nur ein Credo geben kann: testen, testen, testen", sagte SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (29. Juni). Das sei der beste Weg zur Eindämmung des Virus.

Die Grünen-Fraktionschefin Monika Düker sagte der Zeitung, ihre Partei fordere seit mehreren Wochen eine vorausschauende Test-Strategie, um Infektionsketten frühzeitig zu durchbrechen. Kontaktpersonen von Verdachtsfällen ohne Symptome sollten getestet werden, ebenso wie Menschen in besonders sensiblen Bereichen wie Altenheimen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und Flüchtlingsunterkünften.

Rufe nach "Plan B" für die Schulen und Kitas

Die Präsidentin des CDU-Wirtschaftsrates, Astrid Hamker, sprach sich gegen Schulschließungen bei neuen Corona-Ausbrüchen aus. Stattdessen müssten Behörden und Schulen Krisenpläne aufstellen, sagte Hamker der Düsseldorfer "Rheinischen Post". Es dürfe nicht jeder bedauerliche, größere Einzelausbruch als Anlass genommen werden, Zweifel an einer generellen Rückkehr zu geregelten Verhältnissen zu säen, mahnte Hamker und forderte einen "Plan B" für die Schulen und Kitas nach den Sommerferien im Falle von Infektionen.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) kritisiert, dass Untersuchungen zur Einschulung wegen der Corona-Pandemie ausfallen. Besonders für "Kinder mit Behinderung, mit schulischem Förderbedarf, der in solchen Untersuchung festgestellt werden könnte, für Kinder aus schwierigen Sozialverhältnissen ist es dramatisch", sagte Verbandspräsident Thomas Fischbach den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe. Für diese Kinder seien die Untersuchung wichtig, weil sie sonst nicht die Unterstützung bekämen, die sie benötigen.

Nach dem Corona-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb der Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh waren mehr als 1.550 Beschäftigte positiv auf das Virus getestet worden. Bund und Länder hatten vereinbart, dass Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie ergriffen werden müssen, wenn sich in einer Stadt oder einem Landkreis binnen sieben Tagen mehr als 50 Menschen pro 100.000 Einwohner infizieren.

Wegen des Ausbruchs in dem Tönnies-Betrieb hatte die Landesregierung einen weitgehenden Lockdown für die Kreise Gütersloh und Warendorf verfügt - dort wohnen viele Mitarbeiter des Schlachtbetriebs. Der Lockdown gilt zunächst bis 30. Juni. Am 29. Juni wollten Ministerpräsident Armin Laschet und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (beide CDU) gemeinsam mit den Landräten der Kreise über das weitere Vorgehen informieren.