Billie Eilish ist an diesem Morgen in aller Munde. Die 18-jährige US-Sängerin hat bei den Grammys abgeräumt. Wie sich ihr Name ausspricht, wissen wohl alle aus der Branche. Doch beim Bruder Finneas O'Connell, der gleich noch den Grammy als bester Produzent einfährt, kommen Zweifel auf: Wird dieser Finneas nun auf der ersten oder auf der zweiten Silbe betont? Ein Fall für das Team der ARD-Aussprachedatenbank, die beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt am Main angesiedelt ist.

Bei Katharine Schröder klingelt das Telefon. Ein Sender im Süden der Republik bittet um Hilfe. Für die Sprachwissenschaftlerin ist der Fall Finneas schnell gelöst. Sie findet auf Anhieb eine Audio-Aufnahme im Netz, auf der sich der Singer-Songwriter und Musikproduzent selbst vorstellt. An den Sender geht eine Mail, in die Datenbank kommt ein neuer Eintrag. "Ou'kahnell, 'Finneäss (ss=scharf)", lässt sich nun dort lesen in einfacher Umschrift mit den entsprechenden Betonungszeichen. Die passende Audiodatei hat Schröder dazu natürlich aufgenommen und mit hinterlegt.

"Einflüsterer" in aller Welt

Nicht alles aber ist so einfach. "Es hat etwas Detektivisches", sagt Roland Heinemann, Leiter und Gründer der mittlerweile fast 23 Jahre alten Datenbank. Im Zeitalter des Internets gilt ein erster Blick zwar dem Netz, aber bis zum endgültigen Ergebnis braucht es oft trotzdem noch viel Gespür. Gibt es schon einmal eine regionale Zuordnung, ist viel gewonnen. Manchmal aber müssen Heinemann und seine Crew selbst da rätseln und kombinieren.

Weiß man Ort oder Sprache, greifen Wissen, Regeln und weitere Recherche ineinander. So manche Sprache lasse sich sehr regelgemäß verlautlichen, erklärt Heinemann. Da sind dann etwa Wörterbücher oder intern erstellte Eindeutschungsgrammatiken wichtige Hilfsmittel.

Außerdem hat das ARD-Datenbankteam "Einflüsterer" in aller Welt, beispielsweise an Unis und Botschaften. Ungefähr 1.500 Aussprache-Informanten sind es. Und nicht zuletzt die Korrespondenten vor Ort sind selbstverständlich eine wichtige Quelle. Wenn die dann vielleicht noch eine kurze Aufnahme einspielen können, in der sich die Person mit dem gesuchten Namen selbst vorstellt - eine sogenannte akustische Visitenkarte -, ist das ein perfekter Treffer. Das gilt vor allem bei Sprachen, die nur von wenigen Menschen oder nur an einem bestimmten Ort gesprochen werden.

"So deutsch wie nötig"

Als nächstes müssen die Wörter lautlich so aufbereitet werden, dass sie deutschen Sprechern ohne großes Stolpern oder Peinlichkeiten über die Lippen kommen. "Das Wort wird so original wie möglich ausgesprochen, aber so deutsch wie nötig", fasst Heinemann zusammen. Der isländische Vulkan Eyjafjallajökull etwa, der vor zehn Jahren für Flugausfälle in Europa sorgte, wird von Einheimischen anders ausgesprochen als er letztlich in der Datenbank auftaucht. Die schwierigsten Laute sind hier eingedeutscht, die Empfehlung lautet nun "'Äijjaffjaddlajjöhküddl".

Auch Tonhöhen, die in manchen Sprachen über die Bedeutung eines Wortes entscheiden, bleiben außen vor. "Das müssen wir in Kauf nehmen", räumt Heinemann ein. Ein Versuch, die Tonhöhen zu berücksichtigen, sei nach hinten losgegangen: "Das war die reine Lachnummer."

Pragmatik und Wiedererkennbarkeit sind denn auch Leitgedanken für die Macher der Datenbank. Wie im Fall Khashoggi: Der ermordete saudische Journalist wird, obwohl die Lautung etwas anders sein müsste, in den deutschen Medien überwiegend "Ka'schoggi" genannt - so wie es auch in der ARD-Datenbank empfohlen wird. Dabei handelt es sich aber um einen Rückgriff auf Kashoggis Onkel Adnan, der in den 1970er Jahren mit dieser Aussprache in den deutschen Ohren blieb. "Man muss es auch nicht übertreiben mit der Authentizität", sagt Heinemann.

Keine Sprachpolizei

Richtig oder falsch gibt es für die Hüter von mittlerweile mehr als 400.000 Einträgen daher auch nicht. Nur empfehlenswert und weniger empfehlenswert. Und: "Wir sind nicht die Sprachpolizei", betont Heinemann.

Dass die Hilfestellungen geschätzt werden, zeigen schon die zahlreichen Anfragen. Wöchentlich kommen rund 250 neue Einträge hinzu. Und wenn Großereignisse wie Olympia oder Fußball-WM anstehen, werden es noch mehr. Dann arbeitet das Ausspracheteam schon in den Wochen vorher auf Hochtouren und speist nicht nur alle Spieler ein, sondern auch Schiedsrichter, Mannschaftsärzte, Ortschaften, Sehenswürdigkeiten oder beliebte Gerichte im Gastland.

"Wir gucken ziemlich weit rechts und links der Fahrbahn", sagt Heinemann. "Zur Fußball-WM in Brasilien haben wir einiges an brasilianischen Spezialitäten aus den Kochtöpfen gefischt." Zum Beispiel die Batatas ao Murro, die "Faustschlag-Kartoffeln", die mit dem Hinweis "Ba'tahtass (ss=scharf) au 'murru" in der Liste gelandet sind. Oder der Bohneneintopf Feijoada, gesprochen "Fäischu'ahda".

Zur Krönung seiner Datenbankzeit wünscht sich Heinemann, dass künftig auch Interessenten außerhalb der Sender den Deckel zu den lautsprachlichen Kochtöpfen heben können. Eine Öffnung der Aussprachedatenbank für die Öffentlichkeit möchte er gerne noch auf den Weg bringen, bevor er im Herbst in Rente geht: "Es ist doch wünschenswert, dass dieses kleine hilfreiche Tool der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird." Damit alle mit "Fäischu'ahda" und "'Äijjaffjaddlajjöhküddl" punkten können.