Die Sozialgerichte in Nordrhein-Westfalen müssen sich wegen Streitigkeiten im Gesundheitswesen mit einer wachsenden Zahl von Klagen befassen. "Die Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen sieht sich einer Klageflut gegenüber, die das Potenzial hat, zu einer der größten Herausforderungen zu werden, der sich die Gerichtsbarkeit je zu stellen hatte", sagte der Präsident des Landessozialgerichtes NRW, Martin Löns, am 30. Januar in Essen. In zwei großen Wellen wurden zwischen Ende 2018 und Ende 2019 etwa 15.000 Behandlungsfälle vor die Sozialgerichte gebracht, in denen Krankenkassen und Krankenhäuser um die Höhe der Kosten für die stationäre Behandlung der Versicherten streiten. Die Verfahren seien sehr arbeitsintensiv, hieß es.

Ausgelöst wurde die Klagewelle durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, das eine Verkürzung der Verjährungsfristen vorsah, und das MDK-Reformgesetz. Zudem seien die Sozialgerichte schon vorher zunehmend mit Abrechnungsstreitigkeiten befasst gewesen, in denen es etwa um die Frage ging, ob die Verweildauer in einem bestimmten Behandlungsfall zu lang war oder die medizinischen Voraussetzungen für eine höhere Gebühr gegeben waren. In diesem rechtlich schwierigen und medizinisch komplexen Arbeitsfeld ließen sich beide Seiten überdies durch hoch spezialisierte Fachanwälte vertreten.

Die Abrechnungsstreitigkeiten absorbierten einen Teil der gerichtlichen Arbeitszeit. Versicherte und Bedürftige in Rentenverfahren oder in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende müssten deshalb länger auf die Klärung ihrer Ansprüche und Leistungen warten, hieß es. "Eine wirkliche, auch zukunftsfähige Lösung erfordert den Willen und das Handeln des Gesetzgebers und der Akteure im Gesundheitssystem, um ein weiteres 'Outsourcen' des Konfliktmanagements an die Sozialgerichte zu verhindern", betonte Löns.

Dabei ist die Zahl der Gerichtsverfahren, die im vergangenen Jahr bei den acht Sozialgerichten in NRW eingingen, leicht rückläufig: Sie sank um 3,6 Prozent auf fast 93.400. Die Zahl der unerledigten Verfahren lag Ende 2019 bei knapp 101.100. Das waren 0,5 Prozent weniger als zum Vorjahreszeitpunkt. In 30 Prozent der Fälle ging es um Fragen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV), auf den weiteren Plätzen folgten die Streitigkeiten um die Krankenversicherung (26 Prozent) und um das Schwerbehindertenrecht (14 Prozent).