In Panik ergreifen sie die Flucht. Janna-Berta und Uli wollen zu ihrer Tante nach Hamburg, um sich vor den Strahlen zu schützen, doch Uli wird überfahren. Die Geschichte des Mädchens, das den Super-GAU eines bayrischen Atomkraftwerks überlebt, war Gudrun Pausewangs erfolgreichstes Buch, millionenfach verkauft. "Die Wolke" erschien 1987, ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Am 23. Januar ist die Autorin im Alter von 91 Jahren gestorben.

Geboren wurde sie 1928 in Wichlstadtl, dem heutigen Mladkov im Nordosten Tschechiens. Ihre Eltern waren Reformlandwirte, versuchten auf ihrem Anwesen, eine alternative Lebensform zu verwirklichen. Der Zweite Weltkrieg beendete ihr Experiment: 1943 fiel der Vater, 1945 flüchtete Gudrun Pausewang mit ihrer Mutter und den fünf jüngeren Geschwistern nach Wiesbaden, wo sie ihr Abitur machte.

Lieblingsautorin der Friedens- und Anti-AKW-Bewegung

Nach dem Studium an einer pädagogischen Hochschule verbrachte Gudrun Pausewang viele Jahre im Auslandsschuldienst in Venezuela, Chile und Kolumbien, bevor sie 1972 mit ihrem damals zweijährigen Sohn nach Deutschland zurückkehrte. Bis zu ihrer Pensionierung 1989 unterrichtete Pausewang an der Grundschule im osthessischen Schlitz bei Fulda, dem Ort, in dem auch das Mädchen Janna-Berta in "Die Wolke" bis zum Reaktorunfall wohnt.

Mit dem Bücher schreiben hatte Pausewang Ende der 1950er Jahre begonnen. Zehn Jahre lang richteten sich ihre Werke an Erwachsene, bevor sie eher zufällig Kinder und Jugendliche als Leser entdeckte. Ihre Themen schöpft sie aus eigenen Erlebnissen und ihrem Alltag. 1983, auf dem Höhepunkt der Nachrüstungsdebatte, erschien ihr Buch "Die letzten Kinder von Schewenborn", in dem die überzeugte Pazifistin das Horrorszenario eines durch den Atomkrieg verwüsteten Landes aus der Perspektive eines Jungen schildert.

Spätestens mit "Die Wolke" vier Jahre später wurde Gudrun Pausewang zur Lieblingsautorin der Friedens- und Anti-AKW-Bewegung. Doch auch außerhalb davon erfuhr sie Anerkennung: Sie erhielt zahlreiche Ehrungen wie den Deutschen Jugendliteraturpreis 1988 für "Die Wolke". 2017 erhielt sie die Auszeichnung noch einmal für ihr Lebenswerk.

Pausewang heftete den Blick auf eine Vielzahl von Details, die sich in einer oft brutalen Deutlichkeit jeder Interpretation verweigern. "Ulis Kopf, von der Kapuze umhüllt, lag seltsam flach in einer Blutlache, die sich zusehends vergrößerte," schreibt sie in "Die Wolke".

Mit ihren drastischen Schilderungen und unverpackten Botschaften blieb Pausewang umstritten: Für die einen war sie die "Lehrerin der Angst" und "Weltangstexpertin", wie die Journalistin Susanne Gaschke es einmal in der "Zeit" formulierte. Doch die anderen schätzten ihre Bücher eben weil sie die Wirklichkeit auch für die Jüngsten nicht ausklammert.

Doktortitel mit 70 Jahren

Häufig tragen Pausewangs Figuren durch ihre Passivität zu den Katastrophen bei, deren Opfer sie später sind. Darin ähneln sich die Schicksale der Vertriebenen oder der Opfer des Super-GAUs. Selbst in ihren Büchern für die ganz Kleinen kommen die Helden nicht ungeschoren davon. In "Neues vom Räuber Grapsch" (2008) quält sich die Hauptfigur mit dem Älterwerden: Grapsch wird Opfer eines ärztlichen Kunstfehlers und seine alt gewordenen Tiere sterben ihm weg.

Auch mit dem Nationalsozialismus beschäftigte sich Pausewang in ihren Büchern. So beschrieb sie in "Adi, Jugend eines Diktators" (1997) das Heranwachsen Adolf Hitlers oder in "Die Meute" (2006) den Aufbau einer nationalsozialistischen Jugendgruppe durch einen eigentlich liebenswerten Großvater, der ein unverbesserlicher Nazi geblieben ist.

1999 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz, 1998 legte sie im Alter von 70 Jahren ihre Doktorarbeit über "Vergessene Jugendschriftsteller der Erich-Kästner-Generation" an der Frankfurter Goethe-Universität vor.

Noch im hohen Alter schrieb Pausewang weiter: 2012 erschien ihr Roman "Au revoir, bis nach dem Krieg" über die Liebe zwischen einem deutschen Mädchen und einem französischen Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg. In ihrem letzten Buch "So war es, als ich klein war" (2016) vermachte sie den jungen Lesern ihre eigenen Kindheitserinnerungen.