Die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, fordert die Bekämpfung von Judenfeindlichkeit auch in Behörden durch die Einsetzung eigener Beauftragter. Die frühere FDP-Bundesjustizministerin begründete ihre Forderung am Wochenende in Schwerte unter anderem mit Fällen, in denen Polizisten als sogenannte Reichsbürger enttarnt wurden. Es dürfe aber keine Pauschalverdächtigung von Berufsgruppen geben, sagte sie auf der Villigst-Tagung aus Anlass des 75. Jahrestages der Befreiung des Vernichtslagers Auschwitz.

Leutheusser-Schnarrenberger forderte eine intensive Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen von Antisemitismus, den "von manchen ersehnten Schlussstrich" dürfe es nicht geben: "Noch so viele Polizeibeamte, Richter und Staatsanwälte werden Judenfeindschaft vermischt mit israelischer Politikkritik und Rassismus nicht aus den Köpfen bringen." Antisemitismus und Rassismus könnten am ehesten mit frühzeitiger Bildung in allen gesellschaftlichen Bereichen verhindert werden.

Ein positiver Ansatz sei die Auseinandersetzung mit einzelnen Schicksalen und Lebensbiografien von Nazi-Opfern: "Projekte, die mit lokalem Bezug das Lebensschicksal von verfolgten jüdischen Familien nachzeichnen, können häufig eine nachhaltigere Wirkung erzeugen als das Nachlesen in Geschichtsbüchern." Ein einmaliger Besuch in einer Mahn- und Gedenkstätte reiche nicht für eine "Immunisierung" und könne die Auseinandersetzung mit dem Thema nicht ersparen, betonte Leutheusser-Schnarrenberger.

Forscherin: Gedenkstätten nicht überhöhen

Die Erziehungswissenschaftlerin Astrid Messerschmidt warnte davor, Gedenkstätten zu nationalen Erinnerungsorten zu überhöhen. Dieser Trend der "Aufladung" sei besonders nach der deutschen Vereinigung zu beobachten, sagte die Forscherin der Bergischen Universität Wuppertal. Im Vordergrund habe die Würdigung der Opfer zu stehen. Eine Reduzierung auf das Nationale schließe zudem Migranten aus, die ohnehin strukturell benachteiligt würden. Dabei äußere gerade diese Gruppe von Studierenden ein hohes Interesse an dem Thema.

In der Tagung zum Thema "75 Jahre nach Auschwitz" in der Akademie Villigst ging es um die Potenziale von NS-Erinnerungsorten für die politische Bildung und die Demokratieerziehung junger Menschen. Veranstalter waren das Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen und das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk (IBB) Dortmund.