Düsseldorf (epd). Die Ungleichheit bei den Einkommen in Deutschland liegt laut einem Bericht der Hans-Böckler-Stiftung auf einem "historischen Höchststand". Der Gini-Koeffizient, das gebräuchlichste Maß für Ungleichheit, habe Ende 2016 mit einem Wert von 0,297 um zwei Prozent höher gelegen als 2005, wie eine am 7. Oktober in Düsseldorf veröffentlichte Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Stiftung zeigt. Das Jahr gilt unter Forschern als besonders "ungleich". Im Vergleich zum Ende der 1990er-Jahre sei die Kennzahl sogar um rund 19 Prozent gestiegen.
Trotz der über Jahre guten wirtschaftlichen Entwicklung wächst die Ungleichheit der Einkommen den Angaben zufolge weiter. Das liegt den Studienautorinnen Dorothee Spannagel und Katharina Molitor zufolge vor allem an zwei Faktoren: Hohe Einkommensgruppen hätten "von sprudelnden Kapital- und Unternehmenseinkommen profitiert". Gleichzeitig seien die 40 Prozent der Haushalte mit den geringsten Einkommen zurückgefallen.
Studienautoren beklagen großen Niedriglohnsektor
Die Armutslücke ist der Studie zufolge zwischen 2011 und 2016 preisbereinigt um 29 Prozent gewachsen und um 779 Euro auf 3.400 Euro gestiegen. Diese Summe beziffert das Jahreseinkommen, das armen Haushalten rechnerisch fehlt, um die Armutsgrenze von 60 Prozent des mittleren Einkommens zu überschreiten. Die Studie basiert auf der repräsentativen Befragung von 25.000 Menschen, die in Deutschland für das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) durchgeführt wird.
Die Ungleichheit wachse zwar langsamer als vor 2005, sagte Spannagel. Trotz dieses positiven Trends gehe die Polarisierung in Deutschland weiter: "Der Niedriglohnsektor ist weiterhin sehr groß und ärmere Haushalte fallen zurück, während sich reiche weiter absetzen." Starke soziale Spaltungen "reduzieren soziale und politische Teilhabe und gefährden das Funktionieren der sozialen Marktwirtschaft", warnte Spannagel.
Um eine "tiefgreifende Spaltung" der Gesellschaft zu verhindern, fordern die Studienautorinnen, Haushalte am oberen Ende müssten über höhere Steuern einen größeren Beitrag zur staatlichen Umverteilung leisten. Damit Haushalte am unteren Ende den Anschluss an die Gesellschaft nicht verlieren, seien vor allem die Erhöhung des Mindestlohns, eine Stärkung der Tarifbindung, höhere Regelsätze beim Arbeitslosengeld II und unbürokratische Beratungs- und Hilfsangebote notwendig.
Der Gini-Koeffizient kann Werte von 0 bis 1 annehmen. Bei einem Wert von 0 besitzen alle gleichviel, während der Wert 1 für maximale Ungleichheit steht, bei der eine Person alles besitzt.