Bensheim (epd). Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall wirken nach Ansicht des Ökumene-Experten Martin Bräuer weiterhin unterschiedliche Prägungen der Kirchen in Ost und West nach. "Strukturell und institutionell ist der Vereinigungsprozess abgeschlossen. Dennoch existieren unterschiedliche Mentalitäten in Ost und West", sagte der Catholica-Referent des Konfessionskundlichen Instituts der evangelischen Kirche im südhessischen Bensheim dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Das Votum zur raschen kirchlichen Vereinigung sei vor 30 Jahren nicht unwidersprochen geblieben: "In einer Berliner Erklärung äußerten prominente Theologen im Februar 1990 Bedenken, und im November 1990 stritt die westdeutsche EKD-Synode in Timmendorfer Strand noch einmal über das Für und Wider." Doch die Dynamik der Geschichte habe schließlich auch die Protestanten beeinflusst.
Auseinandersetzung über Militärseelsorge
Zu den speziellen ostdeutschen Themen sagte Bräuer dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Vor allem über die Militärseelsorge, den staatlichen Religionsunterricht sowie die Stasi-Belastung kirchlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurde gestritten. Das heißeste Eisen war sicher die Militärseelsorge." Die Kirchen der DDR hätten nicht gewollt, dass die Pfarrer für die Zeit ihrer Militärseelsorge wie im Westen Beamte des Staates werden. Dahinter stand Bräuer zufolge das in 40 Jahren gewachsene tiefsitzende Misstrauen gegen alle enge Verbundenheit mit dem Staat. In Ostdeutschland blieb es für eine Übergangszeit bis 2003 möglich, dass Militärseelsorger Pfarrer ihrer Landeskirche bleiben. Seitdem gilt im Osten das westdeutsche Modell.
Im Februar 1991 tagten beide Kirchenparlamente letztmalig getrennt in Berlin: die EKD in Spandau, der Kirchenbund in Weißensee, erinnerte Bräuer: "Im Osten kochten noch einmal Emotionen hoch: Von 'Eingliederung und Anschluss' war die Rede. Letztlich stimmten aber beide Synoden mit großer Mehrheit für das Kirchengesetz zur Vereinigung. Nach der Ratifizierung durch die östlichen Landessynoden trat im Juni in Coburg die neue EKD-Synode gesamtdeutsch zusammen.
Das Konfessionskundliche Institut wurde 1947 in Bensheim an der Bergstraße gegründet, wo es bis heute seinen Sitz hat. Es ist das ökumenewissenschaftliche Arbeitswerk der EKD und eine Einrichtung des Evangelischen Bundes. Die Einrichtung agiert als unabhängige Beratungsinstanz für evangelische Institutionen in allen Fragen der Ökumene.