München (epd). Die Bundesregierung will künftig jeden vierten Flüchtling aufnehmen, der nach einer Seenotrettung in Italien an Land gegangen ist. "Wenn alles bleibt wie besprochen, können wir 25 Prozent der aus Seenot geretteten Menschen übernehmen, die vor Italien auftauchen", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der "Süddeutschen Zeitung" (14. September) "Das wird unsere Migrationspolitik nicht überfordern." Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl begrüßten die Zusage Seehofers.
Seehofer erklärte, eine ursprünglich von ihm angestrebte Regelung, wonach Flüchtlinge zunächst zu Ausschiffungsplattformen in Nordafrika gebracht werden sollten, um dort ihr Asylverfahren abzuwickeln, sei vorerst vom Tisch. "Dazu braucht es ein bis zwei Länder in Nordafrika, die das befürworten. Die gibt es nicht."
"Großer Fortschritt"
Frankreich, Deutschland, Italien und Malta wollen sich beim Treffen der EU-Innenminister am 23. September in Malta auf eine vorläufige Quotenregelung zur Verteilung von Flüchtlingen in Europa einigen. Im Oktober soll der Vorschlag dem Europäischen Rat vorgelegt werden. "Die Erwartung ist, dass weitere Staaten sich anschließen", sagte Seehofer.
Nach den Worten von Bedford-Strom kommt nun Bewegung in die Schaffung eines europäischen Verteilmechanismus für gerettete Flüchtlinge. Die Ankündigung Seehofers sei "ein großer Fortschritt und müsste die anderen europäischen Länder in einer 'Koalition der Willigen' nun auf jeden Fall dazu bringen, Ähnliches zuzusagen", schrieb der Ratsvorsitzende auf seiner Facebook-Seite.
"Dann kann die große Aufnahmebereitschaft, die so viele europäische Städte bereits offiziell erklärt haben, endlich abgerufen werden", fügte Bedford-Strohm hinzu und sprach von einem "Schritt zu mehr Humanität im Mittelmeer". Er schaue mit zuversichtlicher Spannung auf das Treffen am 23. September.
Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt sagte dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland", es sei gut, dass Deutschland die Bereitschaft zeige, "großzügig nach vorne zu gehen". Jeder Gerettete sei "ein Impuls gegen die knallharte Politik, die der italienische Innenminister Matteo Salvini durchgezogen hat". Der geplante Verteilmechanismus dürfe aber nicht nur für die aus Seenot geretteten Flüchtlinge gelten, sondern auch für die, die es in maroden Booten auf eigene Faust nach Europa geschafft hätten.
"Quälendes Prozedere"
Innenminister Seehofer unterstrich, auch mit der geplanten Regelung bleibe die Zahl Geflüchteter überschaubar, die zusätzlich nach Deutschland kommen könnten. Die Bundesregierung habe auch bisher schon rund ein Viertel der Geretteten aus Italien übernommen: "An diesem Schlüssel ändert sich nichts."
Es sei aber höchste Zeit, sich von dem "quälenden Prozedere" zu verabschieden, bei dem in den vergangenen Jahren bei jedem einlaufenden Rettungsschiff Flüchtlinge einzeln über Europa verteilt werden mussten, erklärte Seehofer. In den vergangenen zwölf Monaten kamen laut der "Süddeutschen Zeitung" 561 Bootsflüchtlinge über Italien nach Deutschland.
Die 82 geretteten Flüchtlinge, die seit einer Woche an Bord der "Ocean Viking" ausgeharrt hatten, konnten am späten Abend des 14. September in Lampedusa an Land gehen. Italienischen Medienberichten zufolge wollen Deutschland, Frankreich und Italien je 24 der geretteten Flüchtlinge aufnehmen. Portugal habe sich bereiterklärt, acht der Geflüchteten einreisen zu lassen, Luxemburg nehme zwei Migranten auf.