Berlin (epd). Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist überzeugt, dass eine CO2-Steuer schnell eingeführt werden könnte, ohne Privathaushalte und Wirtschaft zu überfordern. In der Debatte um eine CO2-Bepreisung zum Erreichen der Klimaschutzziele stellte die Ministerin am 5. Juli in Berlin drei Gutachten vor. Ein CO2-Preis sei "kein Allheilmittel", sagte Schulze: "Wir brauchen aber eine Trendumkehr zu klimaschonendem Verhalten beim Autofahren und Heizen."
Schulze sagte, sie selbst habe sich noch nicht festgelegt auf ein Modell zur CO2-Bepreisung, sondern sehe die Gutachten als Diskussionsbeiträge. Wichtig sei ihr, dass ein CO2-Zuschlag sozialverträglich gestaltet werde und Planungssicherheit für Unternehmen gegeben sei. Ihr Modell würde nach ihren Angaben dazu führen, dass untere und mittlere Einkommen, Familien und Alleinerziehende nicht zusätzlich belastet, Ein- und Zwei-Personen-Haushalte mit höherem Einkommen aber moderat belastet würden.
Koalitionspartner reagiert skeptisch
Aus den anderen Ressorts der Bundesregierung, die noch nach einer gemeinsamen Position zur CO2-Bepreisung sucht, wurden die Vorschläge von Schulze zunächst nicht kommentiert. Der Koalitionspartner reagierte skeptisch. Die Grünen forderten die Bundesregierung auf zu handeln.
Die von Schulze in Auftrag gegebenen Gutachten empfehlen einen Zuschlag auf Kraft- und Heizstoffe pro ausgestoßener Tonne CO2, womit Benzin, Diesel, Heizöl und -gas teurer würden. Schulze sagte, dies solle aber nicht zu Mehreinnahmen für den Staat führen, sondern über eine Klimaprämie an die Bürger zurückgegeben werden. Dabei solle derjenige mehr zurückbekommen, der sich klimafreundlich verhält.
Die Gutachter schlagen vor, den Zuschlag pro Tonne CO2 linear um 14,50 Euro pro Jahr ansteigen zu lassen, angefangen bei 35 Euro im kommenden Jahr bis auf 180 Euro im Jahr 2030. Steigen würden dann die Steuern auf Heizöl und Sprit. Das sei der unkomplizierteste Weg, um schnell Effekte zu erzielen, sagte Schulze. Den Berechnungen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft zufolge würde im ersten Jahr Benzin um zehn Cent pro Liter teurer, Diesel und Heizöl um elf Cent. 2030, bei einem CO2-Preis von 180 Euro pro Tonne, läge der Benzinpreis um 54 Cent höher.
Die Wissenschaftler erklärten übereinstimmend, entscheidend für den Erfolg der CO2-Abgabe sei eine klare Festlegung, dass und in welchen Schritten sie steigen werde. Sie machten zugleich darauf aufmerksam, dass ein CO2-Zuschlag nur zu einem Teil dazu beitragen werde, die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Es brauche weitere Maßnahmen.
Die Bürger sollen den Modellen zufolge ihre steigenden Ausgaben für Sprit und Heizöl über eine Klimaprämie in fester Höhe von beispielsweise 80 Euro pro Person und Jahr sowie sinkende Strompreise kompensieren können. Geringer Verbrauch würde dadurch belohnt. Die Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass die Entlastungen für Geringverdiener am deutlichsten ausfielen. Die Studien wurden von Experten des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft erarbeitet.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Georg Nüßlein (CDU), warnte vor Mehrbelastungen für die Bürger. Die Berechnungen überzeugten ihn nicht, sagte Nüßlein dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland". Mit Blick auf Berufspendler kritisierte er, es sei nicht auszuschließen, dass die Menschen auf dem Land abgehängt würden. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, sagte, es bleibe keine Zeit für einen "langen Ideenwettbewerb". Im Klimakabinett müssten endlich Entscheidungen getroffen werden. Die Grünen hatten Ende Juni ein eigenes Konzept für einen CO2-Preis vorgelegt.
In den nächsten Tagen will der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung seine von der Bundesregierung beauftragte Expertise zur Bepreisung von CO2 vorstellen. Bis 2050 will Deutschland weitgehend klimaneutral sein und seinen CO2-Ausstoß bis zu 90 Prozent gegenüber 1990 senken. Bis 2030 sollen die Emissionen um mindestens 55 Prozent zurückgehen. Mitte Juli will sich das Klimakabinett mit dem Thema der CO2-Bepreisung befassen.