Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina fordert eine Öffnung des Embryonenschutzgesetzes, um in Deutschland verbotene Methoden der Fortpflanzungsmedizin zu erlauben. In einer Stellungnahme, die am 4. Juni gemeinsam mit der Union der deutschen Akademien der Wissenschaft in Berlin veröffentlicht wurde, plädieren die Experten unter anderem für die Erlaubnis der Eizellspende, die anders als die Samenspende in Deutschland verboten ist. In dem mehr als 120-seitigen Papier formulieren die Experten außerdem weitere Empfehlungen für eine Reform der Rechtslage bei künstlichen Befruchtungen, Embryonenspenden und Präimplantationsdiagnostik.

Die Eizellspende, bei der einer unfruchtbaren Frau ein Embryo aus der Eizelle einer anderen Frau übertragen wird, ist in Deutschland verboten. Grund ist die Vermeidung der gespaltenen Mutterschaft. Die die Halle ansässige Leopoldina argumentiert, auch bei einer Samenspende oder bei Adoptionen gebe es gespaltene Elternschaften.

Embryo-Auswahl

Die Wissenschaftler räumen in ihrer Stellungnahme zwar ein, dass die Eizellspende mit größeren Risiken für Spenderin und Empfängerin verbunden ist als eine Samenspende. Bei einer entsprechenden Aufklärung plädieren sie aber für die Zulassung, um Frauen, die sonst keine Kinder bekommen könnten, eine Schwangerschaft zu ermöglichen.

Die Experten fordern zudem, auch in Deutschland bei künstlichen Befruchtungen die Auswahl eines Embryos mit den besten Entwicklungschancen zu fördern. Dieser sogenannte Single-Embryo-Transfer wird in Deutschland nicht praktiziert, weil ihn das strenge Embryonenschutzgesetz nach bisheriger Auffassung nicht zulässt. Es schreibt vor, dass Embryonen nur zum Zweck der Befruchtung produziert werden dürfen und fordert, möglichst keine überzähligen Embryonen zu zeugen.

In der Folge werden Frauen bei künstlichen Befruchtungen meist mehrere Embryonen übertragen, um die Erfolgschancen für eine Schwangerschaft zu steigern. Die dadurch häufigeren Mehrlingsschwangerschaften seien eine Belastung für die Frauen, heißt es unter anderem zur Begründung in der Stellungnahme.

Bei der Embryospende plädiert die Leopoldina für eine klare rechtliche Grundlage. Die Spende, bei der eine Mutter einen bei künstlichen Befruchtungen übrig gebliebenen Embryo austrägt, ist in Deutschland nicht verboten, bewegt sich aber in einer Art Grauzone. Auch der Deutsche Ethikrat hatte bereits 2016 dafür klare gesetzliche Regelungen angemahnt.

Öffnung der PID gefordert

Zur in Deutschland verbotenen Leihmutterschaft, bei der eine Frau für die Wunscheltern ein Kind austrägt, äußern sich auch die Leopoldina-Wissenschaftler zurückhaltend, lehnen die Zulassung aber nicht komplett ab. Sie mahnen aber eine rechtliche Regelung für die Familien an, deren Kinder auf diesem Weg im Ausland zur Welt gekommen sind.

Eine klare Öffnung fordert die Leopoldina für die Präimplantationsdiagnostik (PID), die in Deutschland nur in eng begrenzten Fällen bei Verdacht auf schwere genetische Schäden des Kindes angewendet werden darf. Die Leopoldina empfiehlt, die Entscheidung über eine PID Arzt und Patient unter Einbeziehung von Beratung zu überlassen und nicht wie jetzt eine Ethikkommissionen einzuschalten. Zudem fordern sie, dass die Kosten für eine PID von der Krankenkasse übernommen werden. Für die Kostenübernahme plädierte auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), zog seine Pläne aber nach Protest aus der Union zurück.

Eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes zugunsten weiterer Fortpflanzungsmethoden steht derzeit nicht auf der konkreten Agenda der Bundespolitik. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hatte im August aber Vorschläge für eine Reform des Abstammungsrechts vorgestellt, um neuen Familienkonstellationen etwa nach Samen- oder Eizellspende, Leihmutterschaften oder Adoptionen gleichgeschlechtlicher Paare Rechnung zu tragen.