Ob Gift aus der Impfstoff-Spritze, die Lüge des Klimawandels oder die satirische Bielefeld-Verschwörung: Der Glaube an konspirative Theorien ist so populär wie nie. Und auch "Fake News" haben in Zeiten von Social Media Hochkonjunktur. Das LWL-Landesmuseum für Klosterkultur Dalheim bei Paderborn taucht in seiner neuesten Ausstellung ein in die Geschichte der Verschwörungstheorien der vergangenen neun Jahrhunderte und zeigt deren Wirkung auf.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnete am 17. Mai die Sonderschau "Verschwörungstheorien - früher und heute" mit einem Appell, Desinformation im Internet entschieden entgegenzutreten. Der Kampf gehe alle an und müsse in Familien, Schulen, Büros und Betrieben ebenso ausgetragen werden wie in Zeitungsredaktionen, sozialen Netzwerken und Parlamenten, sagte Steinmeier. Die Zukunft der Demokratie hänge von der Unterscheidung zwischen Fakten und "Fake News", zwischen Tatsachen und Meinung ab, mahnte der Bundespräsident. Ein vernünftiger öffentlicher Diskurs setze voraus, dass ihm überprüfbare und allgemein akzeptierte Fakten zugrunde liegen. Nur dann seien auch vernünftige politische Entscheidungen möglich.

Faktencheck

Die Sonderschau ist bis zum 22. März 2020 in Dalheim zu sehen. In einer geheimnisvoll blau-violett gestalteten Ausstellungsarchitektur wandelt der Besucher durch lange Gänge des ehemaligen Chorherren-Stiftes. Eingerahmt von fließender, bedruckter Gaze werden rund 250 Exponate von internationalen Leihgebern mit gedämpftem Licht in Szene gesetzt. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart zeigt sich im Spannungsfeld von Fakt und Fiktion ganz deutlich: "Verschwörungstheorien sind ein immer wiederkehrendes Phänomen", sagt Museumsdirektor Ingo Grabowsky. Ziel der Ausstellung sei es, für das Thema zu sensibilisieren und zu zeigen, wie Verschwörungstheorien entstehen, funktionieren und wie man sie entlarven könne.

So ein emotionales Thema bietet Zündstoff: Bereits im Vorfeld der Sonderschau, die mit einer Million Euro zu Buche schlägt, hatte es einige kritische E-Mails und auch Unmut in Social-Media-Beiträgen gegeben. Das Museumsteam habe daraufhin ein Krisenszenario entwickelt, erzählt Grabowsky. "Wir haben die Ausstellung und ihre Fakten unzählige Male von Experten prüfen lassen", betont der Direktor und Geschäftsführer der Stiftung Kloster Dalheim. So erwartet die Besucher - Grabowsky rechnet mit 70.000 - eine sehr sorgfältig recherchierte Schau. Die Auswahl der Ausstellungsstücke reicht von alten Handschriften, Orden, Gemälden und Karikaturen bis hin zu Filmen.

Die Ausstellung zeigt, dass unsichere Zeiten die Popularität von Verschwörungstheorien begünstigen. Über die Jahrhunderte suchten die Menschen nach Schuldigen für Krisen, Kriege und Katastrophen: Im Mittelalter galten Hexen und Juden als religiöse Minderheit als "Agenten des Teufels", die angeblich christliche Kinder ermordeten, Hostien schändeten und Brunnen vergifteten.

Ordensgemeinschaften wie den Templern und später den Jesuiten ging es nicht besser - sie wurden der Ketzerei, Sodomie, Brandstiftung und Planung von Königsmorden verdächtigt und verfolgt. In der Ausstellung gibt eine Regelschrift der Tempelritter aus dem 12. Jahrhundert Einblick in den geistlichen Ritterorden, der von 1118 bis 1312 bestand. Das Dokument, das mit zu den ältesten Exponaten der Schau gehört, stammt aus Brügge.

Die Freimauer und Illuminaten dienten ebenso wie die Templer als Fläche für Projektionen. Ihnen wurde im 18. Jahrhundert nachgesagt, mit einer "Weltverschwörung" die Französische Revolution herbeigeführt zu haben. Als eine der wirkungsvollsten und nachhaltigsten konspirativen Theorien gelten die Protokolle der Weisen von Zion, die Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitet wurden. 1903 erstmals gedruckt, skizziert der fiktive Text einen "jüdischen Weltherrschaftsplan". In der Ausstellung im Klostermuseum Dalheim ist er nun zum ersten Mal in einem deutschen Museum ausgestellt.

Chemtrails

Dass Verschwörungstheorien besonders in totalitären Systemen wie im Nationalsozialismus und in der ehemaligen Sowjetunion unter dem Diktator Josef Stalin aufblühten, überrascht nicht. Aber auch in demokratischen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts haben sie nichts von ihrer Faszination verloren. So existieren nach wie vor Theorien, dass die Mondlandung der US-Amerikaner im Jahr 1969 lediglich im Studio gefilmt wurde oder dass die Anschläge auf das World Trade Center von der US-Regierung und deren Auslandsgeheimdienst CIA inszeniert wurden. Als Zeugnis des Schreckens vom 11. September 2001 ist in Dalheim ein zerstörter Aufzugsmotor aus einem der eingestürzten Türme zu sehen.

Die Schau schlägt die Brücke zum Heute, indem sie auf die Chemtrail-Bewegung aufmerksam macht, die in den Kondensstreifen am Himmel Vergiftungen der Bevölkerung vermutet. Die Anhänger der Barcode-Verschwörung warnen dagegen davor, dass in den Scancodes auf Produkten negative Energien freigesetzt werden.

Filmbeiträge und Bücher beschäftigen sich in der Ausstellung außerdem mit den sogenannten Reichsbürgern, die die Bundesrepublik Deutschland als Staat und deren Grundgesetz nicht anerkennen. Museumsdirektor Grabowsky warnt davor, die krude Thesen von rechtsextremen Bewegungen wie dieser als absurd und lächerlich abzutun: "Wir halten sie im Gegenteil für brandgefährlich, zeigt es doch, wie das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Eliten verloren gegangen ist."