Die Einkommenszuwächse der vergangenen Jahre sind bei den Gutverdienern viel höher ausgefallen als bei allen anderen. Insgesamt sind die Menschen in Deutschland aktuell mit ihren Nettoeinkommen zwar zufriedener als früher, doch sie nehmen auch die wachsende Ungleichheit wahr, wie aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervorgeht, die am 7. Mai in Berlin vorgestellt wurde.

Danach stiegen die realen Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1991 und 2016 im Durchschnitt um 18 Prozent. Alle, auch die Niedrigverdiener, waren deshalb 2017 mit ihrem Haushaltseinkommen zufriedener als noch 2007. Gleichzeitig schätzt aber eine knappe Mehrheit der Bevölkerung (55 Prozent) ihren eigenen Nettoverdienst als zu niedrig ein. Studien-Mitautor Markus Grabka erläuterte, trotz der Zufriedenheit mit dem eigenen Einkommen fielen die Werte bei der Frage nach der Gerechtigkeit des Verdienstes schlechter aus.

Flüchtlinge fangen bei null an

Die Zahlen sprechen für sich: Das reichste Zehntel der deutschen Haushalte steigerte sein Einkommen zwischen 1991 und 2016 um 35 Prozent. In den Einkommensgruppen darunter liegen die Zuwächse zwischen acht Prozent im mittleren Spektrum und 19 Prozent bei den Gutverdienern. Dass beim ärmsten Zehntel der Bevölkerung die Einkommen seit 2010 sogar sinken, liegt laut DIW-Studie auch an der Zuwanderung. Die Zahl der Ausländer sei zwischen 2010 und 2016 um 3,3 Millionen auf zehn Millionen Menschen gestiegen. Flüchtlinge fingen in aller Regel bei null an, so Grabka.

Für das zweitärmste Zehntel der Haushalte verzeichnet die Studie stagnierende geringe Einkommen. Sie stiegen in dem langen Zeitraum bis 2016 nur um zwei Prozent. Die Niedrigeinkommensquote sinke trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht, sondern bleibe mit 16,6 Prozent hoch, bilanziert die Studie. Die Schwelle, ab der man von einem Armutsrisiko oder einem Niedrigeinkommen spricht, liegt nach DIW-Angaben bei 1.120 Euro im Monat für einen Single-Haushalt.

Haushalte mit nur einem Verdiener sind heute doppelt so stark armutsgefährdet wie noch vor 20 Jahren. Als neue, besonders gefährdete Gruppe haben die Forscher die Berufseinsteiger ausgemacht. Das Armutsrisiko der 25-bis 34-Jährigen ist von allen Altersgruppen am stärksten gestiegen. Die DIW-Forscher machen dafür vor allem den großen Niedriglohnsektor verantwortlich. Insgesamt nehme die Ungleichheit seit der Finanzkrise wieder deutlich zu.

Städtisches Armutsrisiko

Einmal mehr zeigt die DIW-Erhebung auch die problematische Lage in den Großstädten. Dort ist die Armutsrisikoquote stärker gestiegen als auf dem Land. Zusammen mit den explodierenden Mieten eine besorgniserregende Entwicklung, resümieren die Studien-Autoren und fordern mehr sozialen Wohnungsbau.

Die Not der einen ist indes der Profit der anderen: Das reichste Zehntel aller Haushalte in Deutschland steigerte seine Einkünfte aus Vermietungen und Verpachtungen zwischen 2010 und 2016 um knapp 40 Prozent.

Die Studie beruht auf Daten der größten und am längsten laufenden Langzeitstudie in Deutschland (SOEP), für die seit 35 Jahren jedes Jahr eine Befragung Zehntausender Haushalte erfolgt.