In der Diskussion um eine Erhöhung der Zahl der Organspender in Deutschland liegt ein zweiter konkreter Vorschlag auf dem Tisch. Eine Gruppe um die Parteivorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock (Grüne) und Katja Kipping (Linke) stellte in Berlin ihren Entwurf vor, nach dem die Bürger künftig regelmäßig um eine Entscheidung zur Organspende gebeten werden sollen und dies in einem Online-Register festhalten können. Am derzeitigen Grundsatz, dass eine Organspende nur mit bewusster Zustimmung möglich sein soll, wollen sie festhalten.

Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) in die Debatte eingebrachte Widerspruchsregelung lehnt die Gruppe ab. Nach deren bereits Anfang April präsentierten Plänen soll künftig jeder Organspender sein, der zu Lebzeiten nicht einen gegenteiligen Wunsch dokumentiert oder seinen Angehörigen mitgeteilt hat.

Zahl der Organspenden erhöhen

Beide Gruppen teilen dabei das Ziel, die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Beide verweisen auch gleichermaßen auf Umfragen, wonach zwar mehr als 80 Prozent der Deutschen Organspenden befürworten, aber nur mehr als ein Drittel einen Organspendeausweis ausgefüllt haben. Die fraktionsübergreifenden Gruppen sind aber uneins in der Frage, wie aus den potenziellen auch tatsächliche Spender gemacht werden sollen: Durch fehlenden Widerspruch oder Ermutigung zum Zuspruch.

Die Gruppe um Baerbock will dabei auf die aufgeklärte Einwilligung der Deutschen setzen. Organspende solle eine bewusste und freiwillige Entscheidung bleiben, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU). Diese Entscheidung dürfe nicht auf ein Veto reduziert werden.

Baerbock nannte den Vorschlag ihrer Gruppe "verfassungsschonender", weil das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper stärker Beachtung finde. Kipping fasste den Unterschied der Gruppen so zusammen: Ihre Gruppe wolle, dass sich möglichst viele Menschen bewusst für ein "Ja" entschieden, während Spahn wolle, dass möglichst wenige "Nein" sagten. Neben Baerbock, Kipping und Maag gehören der Gruppe weitere Parlamentarier aus Union, SPD, Linken und FDP an. Mit dem Ziel "Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende" ist ihr Entwurf überschrieben.

Keine Pflicht zur Entscheidung

Er sieht vor, dass beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information ein Online-Register eingeführt wird, in das jeder Bürger PIN- und TAN-geschützt seinen Willen zur Organspende analog zum jetzigen Organspendeausweis selbst eintragen kann. Behörden sollen bei der Beantragung des Personalausweises darauf hinweisen und Informationsmaterial aushändigen. Auch die Hausärzte sollen regelmäßig ergebnisoffene Beratungsgespräche anbieten. Eine Pflicht zur Entscheidung soll es dabei nicht geben. Daran will die Gruppe festhalten und unterscheidet sich damit von der Gruppe um Spahn: Nach deren Plänen müsste man widersprechen oder wäre automatisch Organspender. Eine Nicht-Entscheidung wäre also nicht möglich.

Der Bundestag hatte über die Organspende im vergangenen Jahr bereits in einer Orientierungsdebatte beraten. Die konkreten Entwürfe sollen Maag zufolge nun noch vor der Sommerpause ins Parlament eingebracht werden. Die Abstimmung ist für den Herbst geplant. Die Evangelischen Frauen in Deutschland begrüßten am Montag den Vorschlag von Baerbock und anderen Parlamentarierinnen. Voraussetzung einer Spende sei Freiwilligkeit, erklärte deren Vorsitzende Susanne Kahl-Passoth. Die evangelische und katholische Kirche hatten sich jeweils kritisch zur Widerspruchsregelung geäußert. Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärte, der Entwurf von Baerbock und anderen gehe "in die richtige Richtung". Welcher Entwurf im Parlament mehr Zustimmung erfährt, ist bislang nicht absehbar.