Zu einem vorsichtigerem Umgang mit der Nennung des Migrationshintergrundes von Straftätern hat der Verein "Neue Deutsche Medienmacher" Journalisten aufgerufen: Die Herkunft von Straftätern werde in der Berichterstattung oft völlig unnötig genannt, kritisierte die Vorsitzende des Vereins, Sheila Mysorekar, am 3. Mai auf einer Veranstaltung des "Mediendienstes Integration" in Köln. "Herkunft und Religion werden oft als Begründung für die Straftat in den Vordergrund gestellt", kritisierte Mysorekar. So sei etwa häufig von einem "türkischen Messerstecher" zu lesen. Wenn ein Täter keinen Migrationshintergrund habe, sei aber im Umkehrschluss nie von einem "deutschen Strafverdächtigen" die Rede.

Sie rät dazu, bei der Berichterstattung über Bagatelldelikte wie etwa Taschendiebstähle generell auf die Nennung der Herkunft zu verzichten. Bei der Berichterstattung über besonders schwere Straftaten, über die detailliert berichtet werde, lasse es sich dagegen oft nicht vermeiden, auch die "ethnische oder religiöse Herkunft" von Tätern zu nennen: "Die Frage ist jedoch, in welcher Form dies geschieht."

Kölner Silvesternacht 2015/2016 war Einschnitt

Nach der Kölner Silvesternacht sei die Herkunft von Tatverdächtigen von Medien tatsächlich sehr viel häufiger genannt worden als zuvor, sagte der Kommunikationswissenschaftler Hans-Bernd Brosius von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der dies in einer im Jahr 2017 veröffentlichten Studie nachwies. Die Kölner Silvesternacht habe mit negativen wie positiven Auswirkungen katalysiert, was seit der Zuwanderungswelle im Jahr 2015 im gesellschaftlichen Bewusstsein latent vorhanden gewesen sei: "Hätte es die Silvesternacht nicht gegeben, wäre es ein anderes Ereignis mit ähnlichem Effekt gewesen."

Zu einer verantwortungsvollen Berichterstattung rief auch der WDR-Redakteur Torsten Beerman auf, der für den WDR in einer Arbeitsgruppe Leitlinien zum Thema Herkunftsnennung erarbeitet hat: "Das Grundargument für uns ist die Relevanz: Ist die Herkunft wichtig, um den Fall zu verstehen?" Man solle sich stets die Frage stellen, ob man die Herkunft auch dann nennen würde, wenn der Tatverdächtige etwa Norweger sei und nicht Syrer. "Grundsätzlich gilt: "Wir müssen nicht alles berichten, was wir wissen."

Nach Ansicht des Kommunikationswissenschaftler Brosius hat der Journalismus jedoch längst seine Deutungshoheit verloren: "Über die sozialen Medien kann sich jeder sehr schnell über die Herkunft eines Verdächtigen informieren." Journalismus sei für die Gesellschaft unverzichtbar und wichtig. "Und deshalb brauchen wir viele und unterschiedliche Journalisten, die unterschiedlich berichten."