Berlin (epd). Die Zahl der per Charterflug abgeschobenen Afghanen hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. 2018 wurden insgesamt 284 Menschen im Rahmen von Sammelabschiebungen in das Land am Hindukusch gebracht, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Im Vorjahr waren es den Angaben zufolge 121.
Offiziell ausreisepflichtig sind indes mehr Menschen aus Afghanistan: Laut Bundesregierung hielten sich Ende Februar 18.568 "vollziehbar ausreisepflichtige afghanische Staatsbürger" in Deutschland auf. Davon besaßen 15.266 eine Duldung. Das geht aus einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der AfD-Fraktion hervor, die ebenfalls dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.
Die Zahl der Afghanen in Deutschland hat sich den Angaben zufolge seit 2011 von knapp 57.000 auf rund 257.000 vervierfacht. Fast 16.000 besitzen eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung, gut 133.00 ein befristetes Bleiberecht.
Bayern schiebt ohne Beschränkungen ab
Deutschland schickt seit Ende 2016 abgelehnte Asylbewerber wieder nach Afghanistan zurück. Nach einer Verschlechterung der Sicherheitslage und einem Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul wurden die Abschiebungen im Sommer 2017 auf Gefährder, Straftäter und sogenannte Identitätstäuscher beschränkt. Anfang Juni 2018 beriet das Bundeskabinett über den neuen Lagebericht des Auswärtigen Amts zu Afghanistan. Dieser schilderte zwar nach wie vor eine "volatile" Sicherheitslage. Dennoch hob die Bundesregierung die Einschränkungen für Abschiebungen auf. Ohne Beschränkungen schiebt derzeit aber nur Bayern Afghanen ab.
Den Angaben nach sind mindestens 140 der 2018 mit Sammelabflügen abgeschobenen Afghanen in Deutschland straffällig geworden. Mindestens fünf wurden als Gefährder eingestuft, weitere 33 als sogenannte "Identitätstäuscher". Die Zahlen könnten aber höher sein: Seit die Beschränkungen für Abschiebungen nach Afghanistan aufgehoben wurden, sind die Länder nicht mehr verpflichtet, die Menschen in die zuvor genannten Kategorien einzuordnen.
Insgesamt gab es im vergangenen Jahr elf Sammelabschiebungen nach Afghanistan. Die Ausgaben für das Fluggerät beliefen sich dabei auf rund 2,5 Millionen Euro. Getragen wurden diese Kosten von der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex).
"Menschenverachtend"
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisierte die Abschiebungen nach Afghanistan als "menschenverachtend". Die Sicherheitslage dort verschlechtere sich kontinuierlich, sagte sie dem epd. Die Ausweitung der Abschiebungen in das Land seien "Ausdruck einer skrupellosen Abschiebepolitik".
Die Bundesregierung bezeichnet die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan in der Antwort derzeit selbst als "regional unterschiedlich ausgeprägt". Seit dem Ende der Mission der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe 2014 hätten die Taliban ihren Einfluss weiter ausbauen können.