Der kleine Junge sitzt mitten in einer Buchhandlung und verschwindet fast hinter einem riesigen Berg zerknüllter Klarsichtfolien. "So sieht es aus, wenn wir den Plastikmüll einer Woche in die Buchhandlung kippen", kommentierte die Hamburger Buchhändlerin Ragna Lüders das Bild Ende Januar auf Instagram. Das Foto bekam fast 1.400 Likes und viele zustimmende Kommentare. Denn die Buchhändlerin fordert mit ihrem Post in dem sozialen Netzwerk, auf die Folieneinschweißung von Büchern zu verzichten.

Plastikverpackungen geraten zunehmend in Verruf, seit die Verschmutzung der Meere, des Abwassers und des Bodens durch Kunststoffpartikel ein immer größeres Thema wird. Supermarktketten beginnen darüber nachzudenken, wie man Plastikverpackungen bei Obst und Gemüse vermeiden kann. Und in vielen Städten gibt es mittlerweile Läden, die Lebensmittel lose verkaufen. Während der unverpackte Verkauf von Lebensmitteln aber oft gar nicht so einfach umzusetzen ist, gibt es Produkte, bei denen ein Verzicht völlig unproblematisch wäre.

Ullstein und Hanser Vorreiter

Das Einschweißen von Büchern etwa findet Ragna Lüders absolut überflüssig. "Wir freuen uns und danken euch, wenn ihr uns die Bücher ohne Plastikfolie liefert", appelliert die Händlerin deshalb an die Verlage. Tatsächlich setzt in der Branche derzeit ein Umdenken ein. Einige Verlage haben bereits den Verzicht auf Einschweißfolie angekündigt, darunter der Ullstein Verlag, der seine Frühjahrstitel weitgehend plastikfrei ausliefern will. "Das sind 95 Prozent der Hardcover-Novitäten mit einer Startauflage von 140.000 Exemplaren, die bislang selbstverständlich eingeschweißt wurden", erklärt Verlagssprecherin Bettina Kasten.

Die Entscheidung sei gefallen, nachdem der Verlag den Verzicht auf die Plastikfolie im Herbst 2018 bei einem einzelnen Bestseller erfolgreich getestet hatte: Mit dem neuen Titel "Muttertag" von Nele Neuhaus schickte Ullstein erstmals nicht eingeschweißte Hardcover-Bücher in den Handel. "Die Resonanz im Buchhandel und beim Endkunden war sehr gut", stellt Kasten fest. Insgesamt gab es nach Angaben der Verlagsgruppe Bonnier Media, zu der Ullstein gehört, sogar weniger Remissionen, also reklamierte Bücher, als bei dem vorangegangenen, eingeschweißten Titel der Autorin.

Auch der Hanser Verlag will künftig auf die Plastikumhüllung seiner Bücher verzichten. Ab Herbst dieses Jahres würden 80 bis 90 Prozent der Titel ohne Einschweißfolie ausgeliefert, sagt die Leiterin der Abteilung Herstellung, Stefanie Schelleis. Nur einige besonders aufwendig ausgestattete oder hochpreisige Titel würden noch eingeschweißt. "Das war keine einfache Entscheidung", sagt Schelleis. Der Verlag wolle jedoch damit Wünschen des Buchhandels nachkommen und einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Nennenswerte finanzielle Einsparungen erwarte Hanser nicht.

Weniger Buchschleifen

Denn damit die Bücher auch künftig möglichst unversehrt im Handel ankommen, müsse einiges bei der Umschlaggestaltung berücksichtigt werden, erklärt Schelleis. Der Verzicht auf Folierung habe zum Teil Konsequenzen für die Papierwahl. Außerdem werde es zum Beispiel weniger Aufkleber oder Buchschleifen, also Papierstreifen um den Einband, geben. Der Verlag warte nun gespannt die Reaktionen auf den Folienverzicht ab. "Es ist ein Risiko, denn die Bücher werden künftig ungeschützter sein", sagt Schelleis. "Wir gehen aber davon aus, dass es funktionieren wird."

Damit künftig mehr Verlage dauerhaft auf Plastikfolie verzichten, seien aber auch die Kunden gefordert, sagt Ulrike Helmer, Verlegerin des unabhängigen Ulrike Helmer Verlags in Roßdorf bei Darmstadt. Auch sie würde gerne auf das Einschweißen der Bücher verzichten, ist jedoch skeptisch, ob die Käufer das akzeptieren würden.

"In Deutschland gibt es immer noch die Haltung, dass an einem Buch kein kleiner Knick oder Kratzer sein darf", sagt Helmer, die früher selbst Buchhändlerin war. "Viele Leute meinen, dass selbst der Schutzumschlag makellos sein muss." Dabei sei die Papierhülle doch dazu da, den eigentlichen Buchdeckel zu schützen. Wenn auf die Einschweißung verzichtet werden solle, müsse sich die Einstellung der Kunden ändern.

Der Hanser Verlag setzt hingegen darauf, dass die Kundschaft mittlerweile reif für diesen Schritt ist. "Wir erwarten die Kooperation der Buchhändler, aber auch der Kunden", sagt Schelleis.

Und Buchhändlerin Lüders hofft, dass mehr Verlage diesem Beispiel folgen. Sie kündigte im Gespräch mit dem "Börsenblatt des Deutschen Buchhandels" einen gemeinsamen Brief mit anderen Buchhändlern an alle größeren Verlage an: Er soll dazu aufrufen, auf die Folie zu verzichten.