Flach, weiß und endlos - so beschreibt Raffaela Busse die Landschaft, in der sie das vergangene Jahr verbracht hat. Das klingt romantisch. Weniger romantisch waren dort die Temperaturen: minus 20 Grad Celsius im Sommer, bis zu minus 80 Grad im Winter. Und wenn es windig ist, was auf einem Hochplateau auf 3.000 m Höhe nicht selten vorkommt, kann die gefühlte Temperatur minus 100 Grad betragen. Dafür ist es sechs Monate lang hell. Danach aber auch sechs Monate lang dunkel.

Die Münsteraner Astroteilchenphysikerin war vom November 2017 bis Dezember 2018 zusammen mit 39 anderen Wissenschaftlern bei einem Forschungsprojekt am Südpol. Das Team dort spürt hochenergetischen Elementarteilchen nach, sogenannte Neutrinos. Das sind hochenergetische Lichtteilchen, die irgendwo im All erzeugt werden und weitgehend unerforscht sind. Quellen dieser Teilchen sind unter anderem aktive Kerne von Galaxien, wie etwa der vier Milliarden Lichtjahre entfernte "BlazarTXS 0506+056", der 2017 durch ein solches Neutrino entdeckt wurde.

Übermittler kosmischer Botschaften

"Hochenergetische Neutrinos sind ein wertvoller Beitrag für die Forschung, man kann sie als Übermittler kosmischer Botschaften verstehen", erklärt Busse. Um sie nachzuweisen, hat eine internationale Kooperation, zu der auch Deutschland gehört, bei der Amundsen-Scott-Südpolstation das "IceCube Neutrino Observatory" gebaut. Finanziert wird es von der US-amerikanischen Stiftung NSF. Dabei handelt es sich um einen Eisblock von der Größe eines Kubikkilometers, in den man mit heißem Wasser Löcher gebohrt und darin 5.000 Sensoren angebracht hat. Diese speichern pro Tag ein Terabyte an Daten, die von den Wissenschaftlern ausgewertet werden. Das Institut für Kernphysik der Universität Münster ist an der Datenauswertung und der Entwicklung von Sensoren für eine geplante IceCube-Erweiterung beteiligt.

Busses Aufgabe bestand darin, die IT-Infrastruktur mit den 100 Computern am Laufen zu halten. Das war ihr Hauptjob. Daneben übernahm die 28-Jährige freiwillig weitere Tätigkeiten, beispielsweise das Einweisen der Versorgungsflugzeuge und das Betanken des unterirdischen Kraftwerks, das die Forschungsstation am Laufen hält. Eine Aufgabe, die ihr zusätzliche Duschminuten einbrachte, wie sie verrät. Auf der Station stehen sonst jedem der 33 Forscher und sieben Forscherinnen nur vier Minuten warmes Wasser pro Woche zu. Es ist ein wertvolles Gut in einer Welt, die nur aus Eis besteht.

Sonnenuntergang, der eine ganze Woche dauert

Natürlich sei die Kälte eine Herausforderung gewesen, erzählt Busse. Mützen und Handschuhe hatte sie reichlich dabei. Nicht zum Wechseln, sondern um sie übereinander anzuziehen. "Gefrierbrand ist ein ständiger Begleiter", sagt sie. Nach draußen ging sie trotzdem, so oft und so lange es die Kälte zuließ. Denn nicht nur im Eis, auch am Himmel gab es ihren Worten zufolge einiges zu beobachten: Licht, das sich in Eiskristallen spiegelt und Phänomene wie Nebensonnen erzeugt. Oder ein Sonnenuntergang, der eine ganze Woche dauert.

Eine andere Hausforderung war die Isolation. "Von Februar bis Oktober kommt dort keiner raus und keiner rein", sagt Busse. E-Mail gab es zwar, manchmal auch Skype. Trotzdem sei es ein unangenehmes Gefühl gewesen, nicht einfach weg zu können, beispielsweise wenn zu Hause etwas passiert oder auch auf der Station. "Bei einem medizinischen Notfall muss ein Flugzeug ein 'Wetterfenster' abwarten, bis es einfliegen und jemanden abholen kann." Das könne mitunter mehrere Wochen dauern.

Bereut hat Busse den Forschungsaufenthalt in der Antarktis trotzdem keine Minute. "Ich habe jetzt Einblick in ein wissenschaftliches Experiment, wie ihn sonst keiner hat", sagt die Physikerin, die nun an ihrer Doktorarbeit über das IceCube-Experiment schreibt. Auch allgemein habe sie einiges dazugelernt - was für sie wichtig im Leben sei und welche Dinge überflüssig seien. "Ich kann mir gut vorstellen, mich noch einmal zu bewerben."