Berlin (epd). Schätzungen zufolge wächst weltweit jedes fünfte Kind in einem Konflikt- oder Kriegsgebiet auf. 2017 waren es demnach rund 420 Millionen Kinder, wie aus dem Bericht "Krieg gegen Kinder" der Kinderrechtsorganisation "Save the Children" hervorgeht, der am 14. Februar in Berlin vorgestellt wurde. Die Zahl habe sich seit Beginn der 1990er Jahre verdoppelt. Damals hätten 200 Millionen Kinder im Krieg gelebt. "Save the Children" wird in diesem Jahr 100 Jahre alt.
Die Organisationen wurde 1919 von Eglantyne Jebb in Großbritannien gegründet. Die Arbeit der Organisation sei aktueller denn je, sagte Martina Dase, Direktorin der deutschen Jubiläumskampagne. "Noch nie hat es so viele Kinder gegeben, die im Krieg aufwachsen", unterstrich sie.
Indirekte Kriegsfolgen
Die zehn gefährlichsten Länder für Kinder sind dem Bericht zufolge Afghanistan, der Jemen, der Südsudan, die Zentralafrikanische Republik, die Demokratische Republik Kongo, Syrien, der Irak, Nigeria, Somalia und Mali. In diesen zehn gefährlichsten Staaten seien zwischen 2013 und 2017 mindestens 550.000 Babys durch die Folgen von Konflikten ums Leben gekommen - durchschnittlich also mehr als 100.000 pro Jahr. Die meisten von ihnen seien an indirekten Kriegsfolgen wie Hunger oder mangelndem Zugang zu Gesundheitsversorgung gestorben.
Würden nicht nur Babys, sondern alle Kinder unter fünf Jahren in die Rechnung einbezogen, starben der Organisation zufolge in diesen Ländern im gleichen Zeitraum knapp 870.000 Kinder und Säuglinge. Dem gegenüber stünden Hochrechnungen nach 175.000 kämpfende Erwachsene, die in dieser Zeit ums Leben kamen.
Jeden Tag Kinder unter Beschuss
"Das Leid der Kinder in Kriegen wird immer grauenvoller", sagte Susanna Krüger, Geschäftsführerin von "Save the Children" Deutschland. "Wir sind schockiert, dass die Menschheit im 21. Jahrhundert den einfachsten moralischen Standards den Rücken kehrt", kritisierte sie. Kinder und Zivilisten dürften niemals Angriffsziele seien. Dennoch gerieten jeden Tag Kinder unter Beschuss. "Kriegsverbrechen wie der Gebrauch chemischer Waffen, Zwangsrekrutierung oder Vergewaltigung sind an der Tageordnung und die Welt schaut zu", beklagte sie.
"Save the Children" wertete nach eigenen Angaben für den Bericht auch Daten der Vereinten Nationen zu schweren Kinderrechtsverletzungen aus. Zwischen 2010 und 2017 habe sich demnach die Zahl der Kinderrechtsverletzungen fast verdreifacht, von knapp unter 10.000 auf mehr als 25.000 pro Jahr. Täglich würden Kinder gezielt getötet, verstümmelt, von bewaffneten Gruppen rekrutiert oder entführt. Zudem würde Kindern humanitäre Hilfe vorenthalten.
Verstöße gegen das Völkerrecht
So stieg den Angaben nach zwischen 2016 und 2017 die Zahl der Kindersoldaten um drei Prozent, die Fälle der sexuellen Gewalt gegen Kinder um zwölf Prozent und die Zahl der entführten Kinder um 62 Prozent. Im Jahr 2017 habe es zudem 1.432 bestätigte Angriffe auf Schulen gegeben. Auch Krankenhäuser, Kliniken und andere Gesundheitseinrichtungen würden häufig angegriffen oder zu militärischen Zwecken genutzt.
Meike Riebau, Projekt-Koordinatorin des Berichts, verurteilte diese Angriffe: "Wenn Schulen und Krankenhäuser nicht sicher sind, bedeutet das, dass der ganze Wiederaufbau schwerer wird." So gehe eine ganze Generation verloren. Gezielte Angriffe auf Kinder oder Einrichtungen, in denen sich Kinder befinden, seien klare Verstöße gegen das Völkerrecht.
"Die internationale Gemeinschaft muss klar machen, dass sie nicht toleriert, wenn internationale Verhaltensregeln im Krieg missachtet werden", forderte Geschäftsführerin Krüger. Täter müssten zur Verantwortung gezogen und Kinder besser geschützt werden. "Unser Appell richtet sich auch an die Bundesregierung, die mit dem Sitz im UN-Sicherheitsrat und als einer der größten Geber eine besondere Verantwortung für das Wohl und den Schutz der Kinder hat", unterstich sie.