Mit zwei Filmen von Volker Schlöndorff wurde Angela Winkler in den 70er Jahren zum Star: "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" und "Die Blechtrommel". Doch wer die Schauspielerin in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren kennengelernt hat, für den ist sie vor allem eine große Bühnendarstellerin - obwohl sie weiterhin TV-Filme und gelegentlich einen "Tatort" dreht.

Im Theater berühmt und populär gemacht hat sie ihr Auftritt als Spelunken-Jenny in der "Dreigroschenoper" im Berliner Ensemble, die Premiere war 2007. Die 300. Aufführung der Inszenierung des amerikanischen Bühnenzauberers Robert Wilson fand am 28. Dezember 2018 statt. Auch wenn Theater bei so langen Laufzeiten eine Zweitbesetzung haben, ließ sich Angela Winkler diesen Jubiläumsabend kurz vor ihrem 75. Geburtstag am 22. Januar natürlich nicht entgehen.

Die "Dreigroschenoper" in der Wilson-Inszenierung bekam 2007 nicht nur Lob, die Kritiken schwankten in ihrem Urteil zwischen Künstlichkeit und Kunst. Einig waren sich die Rezensenten aber über Angela Winkler: Sie zeige, "wie Jenny von Liebe und Hass auf Macheath förmlich zerrissen wird" (Nachtkritik). "Allein Winklers Auftritt ist genial", urteilte die "Die Welt". "Der Standard" (Wien) schrieb: "Sie erhebt sich über die formalen Wilson'schen Konturen und formt eine Gestalt von unendlichem Zauber."

"Kraftzentrum der Inszenierung"

Eine zweite bedeutende Rolle hat die Schauspielerin, die 1944 in Templin in der Uckermark geboren wurde, zurzeit als Irina in Tschechows "Drei Schwestern" am Deutschen Theater in Berlin. Die Premiere war im November 2018. "Diese irrlichternd magische, unzähmbar eigensinnige, souverän freie Ausnahmekünstlerin … ist das Kraftzentrum dieser Inszenierung", urteilte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

Dass die junge Angela Winkler 1975 die Hauptrolle in Schlöndorffs Böll-Verfilmung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" bekam, war nicht selbstverständlich. Heinrich Böll selbst hatte den Regisseur auf sie aufmerksam gemacht. Nach den Probeaufnahmen sagte Schlöndorff: "Ihr leiser Tonfall, ihr kindlicher Ernst wirkten überzeugend. Kein Satz würde bei ihr ideologisch klingen, die Tat selbst würde nicht vorsätzlich wirken." So hat sie die heikle Rolle gespielt: Sie erschießt den Skandaljournalisten einer Boulevardzeitung, der sie als Terroristenbraut diffamiert hatte. 1976 erhielt Winkler dafür den Deutschen Filmpreis.

1979 spielte sie - wieder bei Schlöndorff - in "Die Blechtrommel" Agnes, die Mutter des kleinen Oscar Matzerath, dargestellt von David Bennent. Agnes liebt den Polen Jan Bronski. Die große Liebesszene zwischen ihnen nannte der französische Regisseur Louis Malle "die so ziemlich sinnlichste Bettszene, die ich je gesehen habe". In diesen Jahren liefen Winklers Film- und Theaterkarrieren nebeneinander her. Sie drehte "Jagdszenen aus Niederbayern", "Danton" von Andrzej Wajda oder "Benny's Video" von Michael Haneke.

Orangen ins Publikum

Aber das Theater dominierte, zuerst bis 1978 an der Schaubühne, danach freiberuflich - so konnte sie Theater und Familie vereinen. Angela Winkler lebt bis heute mit dem Bildhauer Wigand Witting zusammen, meist auf dem Land. Sie ist Mutter von vier Kindern. Ihre Tochter Nele wurde mit dem Down-Syndrom geboren, ist theaterbesessen wie ihre Mutter, spielt im Theater RambaZamba, in dem Behinderte und Nichtbehinderte zusammen auftreten.

Angela Winkler hat ab den 80er Jahren mit großen Regisseuren zusammengearbeitet, vor allem mit Klaus Michael Grüber und Peter Zadek. Bei ihm hat sie vor allem Tschechow-Rollen gespielt ("Iwanow", "Kirschgarten").

Unvergesslich war ihr Auftritt 1981 an der Freien Volksbühne in Berlin in Pirandellos "Sechs Personen suchen einen Autor", Regie führte Grüber. Sie war die Stieftochter der Familie, die für ihr Schicksal einen Autor sucht. Aber die Berliner Premierenbesucher ertrugen die manchmal anstrengende Inszenierung schwer, wurden unruhig. Angela Winkler wollte die Ruhestörung nicht dulden: Kurzerhand griff sie einige Orangen, die als Requisiten auf dem Tisch lagen, und schleuderte sie ins Publikum.