Der Loveparade-Prozess vor dem Landgericht Duisburg wird am 30. Januar zunächst fortgesetzt. Das Gericht hält aber nach knapp 100 Verhandlungstagen die Einstellung des Verfahrens gegen zehn Angeklagte für möglich, wie der Vorsitzende Richter Mario Plein am 17. Januar in Düsseldorf erläuterte. Bis zum 5. Februar haben Staatsanwaltschaft und Angeklagte nun Zeit zu erklären, unter welchen Bedingungen sie einer Verfahrenseinstellung zustimmen würden.

Bei einem Rechtsgespräch mit den Prozessbeteiligten am 16. Januar war noch keine Einigkeit erzielt worden, ob es eine Einstellung ohne oder mit Auflagen für einzelne Angeklagte geben könne. Am 17. Januar kündigte die Staatsanwaltschaft Duisburg nun an, sie wolle prüfen, ob eine Einstellung des Verfahrens ohne Auflagen möglich sei.

Vor Gericht stehen vier Mitarbeiter der Veranstalterfirma Lopavent und sechs Bedienstete der Stadt Duisburg, darunter der ehemalige Baudezernent. Sie müssen sich unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verantworten. Bei einer Massenpanik auf dem Techno-Festival starben am 24. Juli 2010 in Duisburg 21 Menschen, mehr als 600 wurden verletzt.

"Komplexes Geschehen"

Die insgesamt 96 Prozesstage mit der Anhörung von zahlreichen Zeugen und Gutachtern hätten gezeigt, dass die Vorgänge um die Loveparade in Duisburg ein "vielschichtiges und sehr komplexes Geschehen" gewesen sei, sagte Richter Plein am. Dennoch sei es "vertretbar, das Verfahren gegen die zehn Angeklagten einzustellen".

Zwar bestehe immer noch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, das den Angeklagten ein Teil der ihnen zur Last gelegten Taten nachgewiesen werden könnte. Es habe sich aber auch herausgestellt, dass die Einschätzung zur Tauglichkeit des Veranstaltungsortes und der Besucherströme fehlerhaft gewesen sei. Auch dies sei wohl für den Tod von 21 Menschen und die Verletzungen einiger hundert Personen ursächlich gewesen.

Von daher müsse das Gericht prüfen, wie groß das Ausmaß der individuellen Schuld der Angeklagten sei, erläuterte der Jurist. Auch wenn den Angeklagten die vorgeworfene Taten im Prozess nachgewiesen werden könnten, würde die Schwere der Schuld laut Plein "allenfalls im mittleren Bereich" liegen. Schuldmindernd wäre zu berücksichtigen, das das Konzept für die Großveranstaltung ebenso wenig geeignet gewesen sei wie der Ort selbst. Die heute für Großveranstaltungen geltenden Vorschriften in Sachen Sicherheit hätten damals noch nicht existiert. Auch die Polizei, die Ordner und die Feuerwehr hätten Fehler gemacht, so Plein.

"Kollektives Versagen"

Die Angeklagten seien damals weitgehend gezwungen gewesen, eigene Regelungen zu erstellen, sagte der Richter weiter. "Der Blick auf das große Ganze dürfte dabei oftmals zu kurz gekommen sein." Weil bei der Planung und Durchführung der Loveparade damals viele Organisationen und Personen beteiligt waren, sei die Katastrophe wohl auf ein "kollektives Versagen in der Durchführungsphase" zurückzuführen.

Auch die Staatsanwaltschaft habe im Rechtsgespräch erklärt, den Angeklagten sei "kein vorsätzliches Verhalten" vorzuwerfen, hieß es. Die Nebenkläger-Anwälte sähen ebenfalls eine "eher geringe Schuld" der Angeklagten. Die Verteidiger der Angeklagten hätten von einer "fahrlässigen Nebentäterschaft" ihrer Mandanten gesprochen.