Der evangelische Pfarrer und Vorstand der Stiftung "Duisburg 24.7.2010", Jürgen Widera, äußert Verständnis für ein mögliches Ende des Loveparade-Prozesses ohne eine Verurteilung der zehn Angeklagten. Die Begründung des Vorsitzenden Richters des Landgerichts Duisburg sei "nachvollziehbar" gewesen, sagte der Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er habe das im Dezember 2017 begonnene Verfahren "intensiv verfolgt" und sei oft vor Ort gewesen.

Im bisherigen Verlauf des Prozesses sei abzusehen gewesen, dass den zehn Angeklagten - vier Mitarbeitern des Veranstalters Lopavent und sechs Mitarbeitern der Stadt - eine individuelle Schuld an dem Unglück nur schwer nachzuweisen sein dürfte. Insofern sei die am 17. Januar offiziell verkündete Entscheidung des Gerichts nicht überraschend gekommen, betonte Widera. Das Landgericht schlägt eine Einstellung des Verfahrens - zum Teil gegen Zahlung einer Geldauflage - vor.

Stiftungsvorstand: Verständnis und Unverständnis bei Angehörigen

Für manche Opfer oder Angehörige sei es nicht leicht gewesen, das zu hören. Es habe die ganze "Bandbreite" an Emotionen gegeben, sagte Widera, der über die Stiftung die seelsorgerische Begleitung für die Opfer, Angehörigen und Zeugen in dem Mammutprozess anbietet. Vor allem eine Familie aus Spanien und eine Mutter aus Italien hätten mit erkennbarem Unverständnis auf den Vorschlag des Gerichts reagiert. "Es gab aber auch Verständnis", betonte Widera. Manche hätten auch das Gefühl, dass es gut ist, wenn das Verfahren jetzt bald zu Ende geht. Eben auch deshalb, weil der Prozess "immer wieder Wunden" aufreißt.

Stiftung hält weiterhin Kontakt

Widera geht davon aus, dass auch nach einem Ende des Strafverfahrens die aus dem Ausland kommenden Opfer und Angehörigen weiterhin ein Interesse daran hätten, sich am 23. und 24. Juli zum Gedenken an die Toten und Verletzten des Loveparade-Unglücks in Duisburg zu treffen. Über die Stiftung solle auch weiterhin Kontakt zu allen Betroffenen und Familien gehalten werden. "Das läuft nicht auseinander", zeigte sich der Pfarrer zuversichtlich.

Vor allem mit Blick auf den zehnten Jahrestag des Unglücks im kommenden Jahr soll die bisherige Form des jährlichen Gedenkens fortgesetzt werden. Danach müsse man prüfen, inwieweit diese Art von Treffen auch künftig noch Sinn machen oder ob es ratsamer sei, "neue Formen" des Gedenkens zu finden.

Grundsätzlich positiv bewertete Widera die seelsorgerische Betreuung, die über die Stiftung im Loveparade-Prozess vermittelt wurde. Es habe einen "hohen Bedarf an Begleitung" gegeben, sagte er. Auch das Gericht habe die Arbeit der Seelsorger ausdrücklich gewürdigt. Dabei habe sich aber erwiesen, dass es sich bei den Ratsuchenden weniger um Betroffene gehandelt habe als vielmehr um Zeugen - etwa von Einsatzkräften der Polizei. In dem Congress Center Düsseldorf, in dem der Strafprozess stattfindet, ist an jedem Prozesstag ein Seelsorger oder Psychologe vor Ort, zudem hält sich ein weiterer Experte in Rufbereitschaft.