Bad Neuenahr (epd). Ärmere Kirchenkreise in der Evangelischen Kirche im Rheinland erhalten künftig mehr Geld von den reicheren: Der bestehende Finanzausgleich innerhalb der Landeskirche wird nach einer Entscheidung der Landessynode ausgeweitet, deren Tagung am Freitag in Bad Neuenahr zu Ende ging. In vier Jahren will das Kirchenparlament der zweitgrößten Landeskirche in Deutschland diskutieren, ob diese Aufstockung ausreicht oder ob die Finanzverteilung grundlegend reformiert wird, um das kirchliche Leben flächendeckend aufrechterhalten zu können.
Reiche Metropolen und strukturschwache Regionen
Während die Kirchensteuereinnahmen beispielsweise in der westfälischen Kirche entsprechend dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Aufkommen gleichmäßig auf die Kirchenkreise und Gemeinden verteilt werden, haben die Kirchenkreise im Rheinland unterschiedlich hohe Pro-Kopf-Einkünfte. Sie hängen von der wirtschaftlichen Lage der Kirchenmitglieder ab - Protestanten in Metropolen wie Düsseldorf, Köln und Bonn zahlen im Schnitt deutlich mehr Einkommen- und damit auch Kirchensteuer als in strukturschwachen Gegenden etwa im Ruhrgebiet oder im Saarland.
Deshalb gibt es einen Finanzgleich, der bisher Folgendes vorsieht: Wenn ein Kirchenkreis pro Mitglied weniger als 95 Prozent des landeskirchlichen Durchschnitts an der Kirchensteuer einnimmt, bekommt er zum Ausgleich Geld von den reicheren Kirchenkreisen. Diese Grenze wird nun bis 2023 von 95 auf 97 Prozent erhöht. Die Neuerung klingt unspektakulär, hat aber die Verschiebung erheblicher Summen zur Folge.
Geheime Abstimmung im Plenum
So muss der Kirchenkreis Düsseldorf im Jahr 2023 nach heutigem Stand dadurch rund 2,5 Millionen Euro mehr in den Ausgleichstopf zahlen. Auf der anderen Seite machte der Superintendent des Kirchenkreises Saar-West, Christian Weyer, die Not der "nehmenden" Kirchenkreise mit einem Beispiel aus Saarbrücken klar: Dort gebe es zwei Kirchengemeinden, die "ohne diesen Finanzausgleich überhaupt nichts machen könnten, sie müssten ihre Arbeit aufgeben und sogar noch Schulden bezahlen".
Schon die Art der Diskussion in der Landessynode zeigt, wie heikel das Thema ist: Es wurde anders als gewöhnlich nicht nur in Ausschüssen behandelt, sondern zunächst von allen Abgeordneten des Kirchenparlaments in 15 übergreifenden Arbeitsgruppen. Im Verlauf der Synode entstanden allein 66 Seiten Protokolle, die Abstimmung im Plenum war geheim. Und fiel mit 167 von 193 Stimmen dennoch einmütig aus.
Finanzdezernent Bernd Baucks räumte in der Debatte ein, dass es bei dieser Frage auch um "blank liegende Nerven" gehe. Nirgends seien die Ressourcen von Gemeinden und Kirchenkreisen im Überfluss vorhanden, sie seien vielmehr knapp im Verhältnis zur geleisteten Arbeit. Alles beim Alten zu lassen, wäre aber "eine Horrorvision" gewesen. Die Gesamtkirche stehe beispielsweise vor der Frage, ob es denkbar sei, dass es in finanziell gebeutelten Kirchenkreisen keine hauptamtliche Kirchenmusik oder Jugendarbeit mehr gibt.
"hohen Akt der Solidarität".
In der Synode hoben Vertreter der "gebenden" Kirchenkreise ihre Bereitschaft zur Solidarität hervor, mahnten aber auch Planungssicherheit an. Der Superintendent des Kirchenkreises Trier, Jörg Weber, dankte den in den Finanzausgleich einzahlenden Kirchenkreisen für ihren "hohen Akt der Solidarität". Das sei keine Einbahnstraße: "Hier lässt keiner den anderen im Regen stehen." Auch künftig müsse austariert werden, "was man sich gegenseitig zumuten kann und muss".
Deutlich wurde auch, dass sich die Grenze zwischen gebenden und nehmenden Kirchenkreis mit den Jahren verschieben kann. So gehörte der Kirchenkreis Solingen nach Angaben von Superintendentin Ilka Werner 2014 noch zu den Gebern, ist aber inzwischen ein Empfänger des Finanzausgleichs.
Ein Vorschlag der Kirchenleitung zu einem weitergehenden Finanzausgleich von 100 Prozent des Durchschnittsaufkommens fand in der Landessynode keinen ausreichenden Rückhalt. Nun sollen bis 2023 beschlussreife Alternativen vorgelegt werden. "Wir werden uns in den nächsten Jahren zusammenraufen und bittere, schwere Entscheidungen treffen müssen", sagte der Vorsitzende des Ausschusses "Kirchensteuerverteilung", Wolfgang Albers.