Die Sorge der Bundesumweltministerin vor mangelnder Bewegung während der Gipfeltage verflüchtigte sich schnell. Auf ihren Wegen durch das weitläufige Konferenzareal führte Svenja Schulze an einem Tag sogar einen Schrittzähler mit. Ergebnis der Messung: Die SPD-Politikerin, die erstmals an einer UN-Klimakonferenz teilnahm, legte 5,7 Kilometer zwischen den Sitzungssälen zurück, wie sie berichtete.

Wie weit der Klimagipfel von Kattowitz die Menschheit im Kampf gegen die Erderwärmung vorangebracht hat, lässt sich wohl nicht ganz so exakt bestimmen. Der polnische Konferenzpräsident Michal Kurtaky sieht "tausend kleine Schritte nach vorne". Die Delegierten könnten stolz sein auf das beschlossene Regelbuch zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015. Mancher Klimaaktivist gab sich zum Abschluss der zweiwöchigen Konferenz jedoch skeptischer: Das Ergebnis sei "sehr weit von einer adäquaten Antwort" auf die Klimakrise entfernt, beklagte BUND-Chef Hubert Weiger.

Transparenzregeln

Immerhin wurden wichtige Voraussetzungen geschaffen, damit das Pariser Klimaabkommen auch tatsächlich greifen kann: Transparenzregeln für alle Länder. Die Berichtspflichten und gemeinsamen Standards zur Erfassung des Treibhausgasausstoßes sind eines der zentralen Elemente in der klimapolitischen Architektur, die das Abkommen entwirft.

Denn die nationalen Ziele zur CO2-Reduktionen, die die Staaten turnusgemäß vorlegen müssen, sind freiwillig. Die Idee hinter der Transparenz: Wenn alle Staaten ihren Treibhausgas-Ausstoß auf einheitliche Weise erfassen und ihre Klimaschutzpläne nach identischen Vorgaben erstellen, dann lassen sich ihre Anstrengungen klar vergleichen. Wer zurückfällt steht gleichsam am Pranger. Das Abkommen setzt also auf Selbstdisziplinierung.

Damit gelten also künftig auch für den größten CO2-Produzenten der Welt - China - die gleichen strikten Standards, die schon im 1997 verabschiedeten Kyoto-Protokoll für die Industrieländer festgeschrieben wurden. Chinas Rolle bei den Kattowitzer Gesprächen wurde in deutschen Verhandlungskreisen als konstruktiv gelobt. Es habe sich bestätigt, dass die Volksrepublik - der größte Kohlendioxid der Welt - anders als die USA am Klimapakt von Paris festhielten.

Klimakonferenzen bestehen aus einem komplexen Geflecht von Verhandlungssträngen und ihren Querverbindungen, das nur wenige Experten voll erfassen können: Wissenschaftliche, wirtschaftliche und juristische Aspekte greifen auf schwer durchschaubare Weise ineinander. Die politischen Entscheider sind vielleicht noch mehr als in anderen Handlungsfeldern von der Expertise ihrer Berater und Ministerialbeamten abhängig, die das Thema seit Jahrzehnten verfolgen.

"Fossil"

Umso wichtiger ist deshalb bei Klimagipfeln die Rolle der Konferenzpräsidentschaft. Sie soll am Ende "das große Bild" in den Blick nehmen und Beschlussvorlagen erarbeiten, in den sich alle mehr als 190 Staaten der Welt wiedererkennen können. Der diesjährige Gipfelchef, Polens Umweltstaatsekretär Michal Kurtyka, mache einen "exzellenten Job", hieß es in der Schlussphase des Gipfels aus deutschen Verhandlungskreisen. Das ist bemerkenswert, weil das Kohleland Polen in Europa als Klimaschutz-Bremser gilt. Deshalb war zunächst offen, mit wie viel Engagement sich die Konferenzleitung in die Arbeit stürzen würde.

Und die Rolle Deutschlands? Der einstige Klimaschutzvorreiter musste sich von Umweltschützern viel Kritik anhören in den vergangenen zwei Wochen: Aktivisten verliehen der Bundesregierung die Negativ-Auszeichnung "Fossil des Tages", Germanwatch stufte das Land in seinem jährlichen Klimaschutz-Index ins Mittelfeld hinab. Grund: Weiter liegt kein Plan zum Ausstieg aus der Braunkohle vor, und das Land verpasst seine selbstgesteckten CO2-Reduktionsziele für 2020.

Dafür brachte die Bundesregierung einen prall gefüllten Geldsack nach Kattowitz zur Unterstützung armer Länder mit: Zusätzliche 1,5 Milliarden Euro für den Green Climate Fund, rund 140 Millionen Euro für weitere Töpfe. "Deutschland hat sich hier in Kattowitz mit seinen Finanzzusagen stark eingebracht", lobt der der Klimaexperte der Hilfsorganisation Care, Sven Harmeling. Das dürfe trotz der mangelhaften CO2-Bilanz der Bundesregierung nicht schlechtgeredet werden.