Frankfurt a.M. (epd). Sie sind alle über 60, wollen nicht mehr alleine sein und gründen eine WG. Doch dann erleidet Uschi, 64, einen Schlaganfall, und die übrigen WG-Mitglieder sind gefordert. Was in dem Fernsehfilm "Alleine war gestern" (2015) mit Komik und einer gewissen Tragik dargestellt wird, ist gar nicht mal so unrealistisch. In der mobilen Gesellschaft, in der Familienstrukturen schwächer werden, sagt der Berliner Psychotherapeut und Buchautor Wolfgang Krüger, "wird es immer wichtiger, dass sich Freunde im Alter gegenseitig helfen und unterstützen."
Gerade im Alter aber sind echte Freunde mitunter rar. Die meisten engen Vertrauten gewinnt man in der Jugend: in der Schule, bei Studium oder Ausbildung. Dann, wenn die Menschen noch nicht gebunden sind, Kontakte und Abwechslung suchen. "Ab dem 23. Lebensjahr sinkt dann die Zahl der Freunde", erläutert Krüger. Er geht davon aus, "dass wir jedes Jahrzehnt einen Freund verlieren und erst mal keinen neuen dazu gewinnen."
Old Shatterhand und Winnetou
Beruf, Partnerschaft und möglicherweise Kinder - oft bleibt in der mittleren Lebensphase wenig Zeit, Freundschaften zu pflegen. Eine große Rolle spielen die Freunde hingegen für Menschen ohne festen Lebenspartner, wie der Kasseler Soziologe Janosch Schobin sagt. Er schätzt, dass bei zehn Prozent der 18- bis 55-jährigen in Deutschland die Freunde im Zentrum ihrer sozialen Kontakte stünden.
Aber was ist überhaupt ein echter Freund oder eine echte Freundin? Berühmte Freundschaftspaare gibt es zuhauf: Ernie und Bert, Asterix und Obelix, Thelma und Louise, Old Shatterhand und Winnetou. Das letzte Beispiel nimmt Schobin gerne auf. Echte Freunde vergleicht er mit "Blutsbrüdern". Das symbolische Ritual, Blut zu tauschen, stehe stellvertretend für ein enges soziales Band - eine "Art Lebenspfand".
In der modernen Gesellschaft zeichneten sich echte Freunde durch "Geheimniskommunikation" aus, wie er es nennt: "Enge Freunde wissen sehr private Dinge voneinander." Solche Vertrauten helfen sich dann auch gegenseitig: Sie sind bei Krisen, Problemen und auch Krankheiten füreinander da.
Männer mit Nachholbedarf
"Deshalb müssen wir diese Freundschaften pflegen", betont Therapeut Wolfgang Krüger. Er wirbt dafür, sich pro Woche einige Stunden Zeit für Freunde zu nehmen - so wie man feste Termine fürs Fitnessstudio einhält. Nur dann ließen sich solche verlässlichen und engen Beziehungen erhalten und weiter ausbauen. "Herzensfreundschaften" nennt er sie. Wer enge Freunde hat, das zeigen zahlreiche Studien, der ist weniger depressiv, gesünder und besser gegen Krankheiten gefeit.
Doch vielen Menschen mangelt es an solchen Beziehungen. Das stellt die Frankfurter Therapeutin Heike Kaiser-Kehl, die als Psychologin online berät, immer wieder in ihrer beruflichen Praxis fest. Gerade Menschen aus der Generation Ü-50 klagten oft über eine schwierige Lebensphase und über Einsamkeit, sagt sie. Notwendig sei es daher, frühzeitig wieder neue Netzwerke aufzubauen.
Zwischen Frauen und Männern sieht sie dabei zunächst keine großen Unterschiede. Allerdings seien Frauen meist offener, wenn es darum gehe, über intime Dinge zu sprechen. "Männer haben da sicher noch etwas Nachholbedarf", so Kaiser-Kehl.
Es ist allerdings keine leichte Aufgabe, im fortgeschrittenen Alter neue Freunde kennenzulernen. Nach einer US-Studie der Universität Kansas dauert es mehr als 50 Stunden gemeinsam verbrachte Stunden, bis aus einem Bekannten ein Freund wird. Und um einen engen Freund zu gewinnen, muss man mindestens 200 Stunden investieren. Die US-Forscher hatten Menschen befragt, die umgezogen waren und sich an einem neuen Wohnort wieder orientieren mussten.
Psychotherapeut Krüger berichtet von privaten Initiativen und Nachbarschaftshilfen: Es schließen sich Freundschaftsgruppen zusammen, deren Mitglieder sich gegenseitig unterstützen und helfen. Eine Idee sei dabei, dass sich sieben Menschen täglich abwechseln, um eine pflegebedürftige Person zu unterstützen.
Staffelpflege
"Solche Netzwerke können eine frühe Pflege auch verhindern", sagt Krüger. Es sei erweisen, dass Menschen, die im Alter noch viele Kontakte hätten und mit Freunden und Bekannten unterwegs seien, gesünder lebten und nicht so leicht dement würden.
Der Kasseler Soziologe Schobin kann sich angesichts der alternden Gesellschaft eine "Staffelpflege" vorstellen: Menschen aus mehreren Generationen leben zusammen, dort unterstützen die Jüngeren die jeweils Älteren. Für solche gegenseitige Hilfe ist immer eine soziale Nähe und Sympathie zwischen den Freunden notwendig.
Auch der Fernsehfilm "Alleine war gestern" zeigt, dass die Hilfe von Freunden im Pflegefall nicht leicht ist: Die WG-Mitglieder pflegen Uschi nach ihrem Schlaganfall, scheitern aber zunächst an dieser Aufgabe. Die 64-Jährige geht freiwillig ins Altenheim. Dort holen die Freunde sie schließlich wieder heraus - und starten einen neuen Versuch der gegenseitigen freundschaftlichen Hilfe im Alter.